Skip to main content
Foto_2
Foto_3

Ferdinand Kösters

*1937
Referatsleiter der Abteilung Kultur und Sport im Bundesministerium des Innern

Vor seiner Tätigkeit im Bundesministerium arbeitete der talentierte Fußballer im Rahmen der Abwerbeabkommen in Spanien und Portugal. Echten „Kennern“ ist er als der Übersetzer von Pele im Sportstudio 1970 bekannt.

Kurzbiografie

  • Geboren 1937 in Bonn
  • Studium an der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung
  • 1955-1969 Div. Arbeitsämter und Deutsche Kommission in Spanien und Deutsche Verbindungsstelle in Portugal
  • 1962 Deutscher Vizemeister der Amateure mit Tura Bonn
  • 1969-2002 Bundesministerium des Innern
  • 1973-1982 und 1986-1992 Abteilung Sport und Kultur

Ferdinand Kösters über …

… Nachkriegszeit in Bonn und eine Torwarthose mit Geschichte

„Wir haben mit der Kreisjugendauswahl im Oberbergischen Kreis gespielt. Da konnten wir uns zwar am Platz in einer Hütte Umkleiden, wir hatten aber kein Wasser. Und da floss ein Bach an dem Fußballplatz vorbei. Wir hatten im Matsch gespielt und haben uns dann alle im Bach gewaschen. Das waren damals die Verhältnisse, bis es dann so ab 1949/50 etwas besser wurde. Ich bin dann Torwart geworden und hatte natürlich keine Torwartkluft, eine Stepphose und Knieschoner hatte ich nicht. Da kam wie ein Geschenk des Himmels, ein Hausnachbar aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Der hatte so einen Steppanzug noch von der Gefangenschaft. Und die hatte er mir geschenkt. Was habe ich damit gemacht? Bei der Hose die Beine abgeschnitten und den Saum umgenäht – dann hatte ich meine Stepphose. Und von den Resten habe ich mir provisorisch Knieschoner gebastelt. Die brauchte man ja, weil wir auf Hartplätzen gespielt haben. Auf dem Rasenplatz braucht man ja keine Knieschoner. Und so hat sich das im Laufe der Zeit entwickelt, bis man 1949/50 in einigermaßen normale Verhältnisse kam.
Wenn wir zu Auswärtsspielen fuhren, hatten wir viele Spiele im Vorgebirge, da hatten die Bauern ihre Plätze alle oben auf dem Berg. Wenn wir von Bonn aus mit dem Fahrrad fuhren und wir kamen auf den Berg, da waren wir schon halb tot. Wenn wir mit der Vorgebirgsbahn gefahren sind, mussten wir zu Fuß den Berg hochgehen. Wir haben da meistens immer verloren, weil wir keine Kraft mehr hatten. Das waren so die schönsten Jugenderlebnisse. Im Nachhinein muss man darüber schmunzeln, aber wir haben es eigentlich auch nicht als so bitter empfunden. Wir haben aus dem, was wir hatten, das Beste gemacht.“

… Bonner Fußball der 50er-Jahre

„Zunächst einmal hatten wir in Bonn eigentlich neben der Tura, den Bonner Fußballverein und mit Beuel 06 und dem Godesberger Fußballverein vier Vereine, die in der oberen Klasse spielten, sodass es auch lokale Derbys gab. Die Tura Mannschaft spielte im Poststadion. Das existiert heute nicht mehr. Da gab es auch eine 400-Meter-Radrennbahn, wo ich sehr oft Steherrennen mit Walter Lohmann und Jean Schorn aus Köln gesehen habe. Trainiert haben wir aber auf dem Köln Platz. Das ist die Stelle, wo heute der Sportpark Nord steht. Das war ein Gelände mit drei Fußballplätzen nebeneinander. Wir hatten einen Jugendleiter, das war eigentlich so der Vater der Kriegswaisen. Der hat sich ungeheuer um die Jugend gekümmert. Wir haben auch Filmabende gemacht. Wir haben gemeinsam mit den Eltern Nikolaus und Weihnachtsfeiern gemacht und haben auch versucht, auswärtige Spiele zu machen. Da war also eine Betreuung, die den Kindern fehlte, deren Väter ja im Krieg gefallen waren. Und es war auch für uns immer sehr spannend. Im Winter konnten wir draußen nicht trainieren. Es gab keine Flutlichtanlagen, wir haben dann in der Turnhalle trainiert. Für mich war das immer ein Gräuel, ich habe das nie gerne gemacht. Aber wir blieben dadurch in Bewegung. Der Bonner Fußballverein war der, wir sagten immer der Akademiker- oder Studentenverein, wo sehr viele Studenten spielten. Für uns galten die immer als etwas abgehoben. Tura galt immer als Arbeiterverein. Der Bonner Norden war ja auch entsprechend geprägt, während der Bonner Süden die etwas gehobenere Schicht beheimatete. Dann gab es Beuel 06. Sie haben schon 1946 ein Jubiläumsturnier veranstaltet. Da haben die Bonner Vereine dann alle gespielt. Das Problem war: Es gab keine Rheinbrücke, da sind also alle Zuschauer immer mit dem Bötchen, also mit der Rheinfähre zu den Spielen in der Woche nach Beuel gepilgert. Aber es kamen 5000-6000 Zuschauer. Das war damals noch eine besondere Attraktion, dass man da die Spiele sehen konnte. Nach Bad Godesberg sind wir mit der damaligen Godesberger Bahn gefahren, die gibt es heute nicht mehr, da fährt heute die U16. Und wenn wir als Spieler, als Jugendmannschaften auswärts gespielt haben, dann bekamen wir immer einen Fahrschein von den Stadtwerken mit Ermäßigung. Dann brauchten wir nicht den normalen Fahrpreis bezahlen. Einen Autobus hatte der Verein nicht. Eigene Fahrzeuge hatte auch kaum jemand. Wenn, dann war mal einen Unternehmer da, der einen Lieferwagen hatte, dann sind wir mit dem Lieferwagen irgendwohin transportiert worden.“

… seine Arbeit in Portugal und Spanien im Rahmen der Anwerbeabkommen

„Es gab zwei Typen von Anwerbern. Die Älteren waren noch vom Dritten Reich geprägt und jüngere wie ich, die waren von einer anderen Sorte. Ich habe Arbeitskräfte immer aufgeklärt. Ich habe mir eine Landkarte besorgt, habe denen gezeigt, wo Deutschland liegt, wie weit das von ihrer Heimat entfernt ist, wie das Leben in Deutschland ist, wie das Klima in Deutschland ist, wo die Städte sind, was in den einzelnen Städten los ist und habe also versucht, ihnen etwas über unser Land nahe zu bringen. Und wenn die dann in irgendeine Stadt wollten, dann habe ich ihnen auch etwas Näheres über diese Stadt beigebracht. Und natürlich auch über die Arbeitsbedingungen – das war klar. Aber ich habe mich bemüht, ihnen auch etwas über unser Land zu vermitteln, damit sie wussten, wo sie hinkommen. Denn die fuhren ja erst mal weg von der Familie, getrennt in ein Land, das sie überhaupt nicht kannten, tausende von Kilometern entfernt. Und weil ich selber im Ausland war, hatte ich ja gewusst, wie man sich dann fühlt. Und habe dann versucht, ihnen das klarzumachen, wie es in unserem Lande aussieht.“

… Aufbruchsstimmung im Sport der 70er-Jahre

„Damals ist mir das gar nicht so bewusst geworden: Es fing dann eigentlich über die Olympischen Spiele an. Durch Eusebio hatte ich Kontakte zur Sportschuhfirma Puma. Mit der Familie haben wir uns auch richtig angefreundet. Und über diese Freundschaft wurde ich ja dann auch an Pele vermittelt, praktisch als Dolmetscher. Der war auch dann bei Puma unter Vertrag. Dadurch kriegte ich auch einen Zugang zu den Olympischen Spielen. Ich merkte das dadurch, dass die mich immer zur Sportartikelmesse eingeladen haben. Hier in Köln war noch die ISPO und da lernte man ja auch Spitzensportler kennen. Und dann ging der Fokus auf die Olympischen Spiele in München. Das war ja damals noch was ganz Besonderes. Da waren ja alle begeistert, dass Olympische Spiele in Deutschland stattfinden und so weiter. Und die Begeisterung, die übertrug sich ja eigentlich auch auf alle. Und einige der Sportler da, die habe ich dann auch im Nachhinein noch auf der Sportartikelmesse kennengelernt. Oder wenn ich mal bei Puma war, dann liefen die einem da auch über den Weg.

Das war so eine Aufbruchsstimmung, die ich im Innenministerium bemerkte. Genscher war damals Innenminister und der wollte den Sport nach vorne bringen, auch im Blick auf die DDR. Und der Genscher hat dann so einige Meilensteine gesetzt. Dazu gehört unter anderem die Gründung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Dass es heute in der Form gar nicht mehr gibt, die sitzen ja jetzt auch in Bonn im Innenministerium. Und auch die sogenannte Deutsche Sportkonferenz. Das sollte ein Gebilde sein, wo sich Sportteile sowohl vom Bund, von den Ländern und so weiter zu jährlichen Konferenzen treffen.

Man war also im Begriff, den Spitzensport aufzubauen. Man erhöhte auch die Mittel und kleine Anekdote am Rande: Der Titel hieß damals immer ‚Förderung des Sports und der Leibesübungen‘. Und da habe ich mir gedacht, also Leibesübungen, das hört sich so nach ‚Turnvater Jahn‘ an. Und da habe ich also durchgesetzt, dass dieser Titel künftig nur noch ‚Förderung des Sports‘ hieß. Und der wurde also regelmäßig aufgestockt. Und man war bemüht, das Ganze irgendwie voranzubringen. Man hatte das Bundesinstitut gegründet. Wir fingen dann in unserem Referat damit an, in den verschiedenen Städten ein Netz von sportmedizinischen Untersuchungsstellen aufzubauen. Wo also Sportmediziner die Spitzensportler betreuen sollten und die dann vom Bund gefördert wurden. Man hat auch die Leistungszentren eingerichtet. Es schwebte uns vor, so wie in der DDR gewisse Sportzentren zu gründen. Das funktionierte bei uns aber nicht. In der DDR hat man die kaserniert. In Internaten hat man das bei uns auch versucht, man hat die Leistungszentren ja auch mit Internatsgebäuden gebaut. Das funktionierte aber nicht, weil die Leute wollten nicht aus ihrer gewohnten Umgebung raus. Und dann hat man schwerpunktmäßig Sportmediziner in Köln, Hollmann oder Keul und Klümper in Freiburg gefördert. Und erreichte aber dadurch, dass die Sportler immer wieder nur zu diesen Ärzten fahren wollten. Und dann kamen natürlich Dopinggerüchte auf, die wir nie verifizieren konnten und weil das Ganze dann doch nicht den erhofften Erfolg brachte, kam man dann auf die Idee, die sogenannten Olympiastützpunkte einzurichten. Das war wieder ein besonderes Kapitel, aber das war dann später.“

… Reise mit dem Sportausschuss in die ehemalige DDR

„So richtige Vorbereitungen gab es von unserer Seite aus nicht. Wir haben mehr oder weniger abgewartet und geschaut, wie sich das Ganze entwickelt. Und dann kam ja die Vereinigung. Und dann haben wir gesagt: ‚So, jetzt müssen wir uns mal umsehen, wie das da drüben aussieht!‘ Bis dahin hatte man ja keinerlei Zugang zu den Sportstätten gehabt. Wir wussten ja nicht, wie es da aussieht. Und dann haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet. Da war ich vom Innenministerium, dann der Professor Andresen, der war damals BHL Chef, Ebeling war für die Verbände, und Lörk hieß der glaube ich, der war für die Wissenschaft zuständig. Wir haben uns dann verabredet. Ich bin aus Bonn und die aus Frankfurt gekommen. Ich habe dann vorsorglich meine Kamera mitgenommen, um den Mitarbeitern zu zeigen, wie es da aussieht. Denn wie ich vom DSB-Präsidenten Manfred von Richthofen wusste, der hatte schon mal Sportstätten besuchen können, und er hatte also geschildert, dass die alle abrissreif seien. Ich wollte das dann dokumentieren. Wir sind dann dahingefahren und haben die einzelnen Sportstätten gesehen. Und es war tatsächlich teilweise abrissreif. Da fiel der Putz von den Wänden. Wir haben aber trotzdem festgestellt, dass die ganz raffinierte Sachen gemacht hatten.
Wir konnten im Winter nicht trainieren, wenn draußen Schnee lag. Da hatten die Folgendes gemacht: Die hatten eine große Halle mit einer riesigen Öffnung und einer Anlaufbahn. Und dann sind die da in der Halle mit dem Speer gelaufen, bis zum Rand der Halle und haben dann den Speer rausgeschmissen. Das Gleiche haben die mit Kugelstoßen gemacht. Die hatten also Wurfhallen, die bedeckt waren und nur die Geräte, die flogen ins Ungewisse – das war ja egal. Und so haben die das gemacht. Dann mussten sie Laufhallen haben. Da gab es damals in der DDR vorgefertigte Teile für Kuhställe. Die waren 15 Meter lang. Und die hat man genommen und hat die aneinandergesetzt. Und dann hatte man einen überdachten Laufschlauch. Da hat man eine Kunststoffbahn reingelegt, dann konnte man da 100 Meter hin und her laufen. Man hat dann später einen zweiten Laufschlauch danebengesetzt, eine Kurve wie bei so einer Radrennbahn ausgebaut und dann konnten die im Kreis laufen.

Das waren für uns alles böhmische Dörfer. Beim Schwimmen hatten sie diese Gegenstromgeräte. Da mussten die gegen den Strom anschwimmen. Das hatten die alles. In Chemnitz hatten sie im Winter eine Schwimmhalle. Im Sommer konnten sie die ganze Halle wegziehen, dann hatten sie ein Freibad. So haben die gearbeitet, sowas war für uns völlig neu. Dann hatten die in Erfurt eine Eislaufbahn und daneben diese Kühlreaktoren. Da ist mir angst und bange geworden. Die standen da so frei in der Luft. Ich dachte nur: Wenn da mal so ein Ding explodiert.

Das waren dann auch die Sachen, die er als Erstes renoviert wurden. Da wurde ja eine riesige Summe Geld in die Renovierung der Sportanlagen investiert. Sodass damals der Engelbert Nelle, das war der CDU-Obmann gesagt hat: ‚Wir müssen Acht geben, dass wir nicht das ganze Geld in den Osten stecken, sonst haben wir in zehn Jahren mit unseren Sporthallen die gleichen Zustände. Also, dass man das ausgewogen macht. Aber man war damals sehr blind. Auf der anderen Seite hatte man von der DDR gar keine Ahnung. Ich kriegte dann den Auftrag, für den Sportausschuss einer Reise vorzubereiten, in allen fünf Bundesländern die Sportzentren zu besuchen.“

… Ausblick auf den Bonner Sport

„Ich glaube, wir haben in Nordrhein-Westfalen sieben oder acht Bundesligavereine. Was den Bonner Sport betrifft: Der ist immer sehr stiefmütterlich behandelt worden. Und eigenartigerweise gibt es in Bonn kein entsprechendes Sponsoring. Es war immer das Problem in Bonn, das niemand da war, der mal gesagt hat: ‚Ich nehme jetzt mal Geld in die Hand und mache etwas für den Sport.‘ Die Telekom hatte diese Radmannschaft, die hat die aufgegeben. Jetzt haben sie die Basketballer aufgegeben. Sie stocken aber bei Bayern München den Etat auf 50 Millionen im Jahr auf – als Bonner Firma. Wir sagen, warum können die nicht mal in Bonn was für den Sport tun? Das ist das große Manko im Bonner Sport, da gibt es keine Sponsoren. Darunter leidet auch der Bonner SC, der sich in der Regionalliga bemüht, um nicht abzusteigen. Jetzt haben Sie mal die letzten zwei, drei Spiele gewonnenen und stehen über dem Strich. Aber vom Etat her sind die nicht regionalligatauglich, die haben kein Geld, das ist das Problem. Heute geht es leider nur ums Geld. Das fängt ja schon in der Kreisliga an, das wissen wir alle. Und ohne Geld gibt es keine sportlichen Erfolge. Otto Rehhagel hat mal gesagt Geld schießt keine Tore, aber mittlerweile weiß man, dass Geld doch Tore schießt.“

Sport und Sportveranstaltungen in der Nachkriegszeit

Berufsweg nach Spanien und Portugal

Arbeit im BMI: Abteilung Sport und Kultur

Begegnung mit Pele

Exponat: Eusebios Trikot


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: