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Britta Siegers

Britta Siegers

*1966
Internationale Spitzenathletin im Para Schwimmen und Rollstuhltennis

Spitze – in vielerlei Hinsicht! Britta Siegers schwamm zu acht paralympischen Goldmedaillen und spielte sich später auch im Rollstuhltennis in die Weltklasse. 1992 erhielt die Patentanwältin und promovierte Chemikerin als erste Behindertensportlerin die Goldene Kamera.

Kurzbiografie

  • Geboren 1966 in Leverkusen
  • TSV Bayer 04 Leverkusen
  • RTHC Bayer Leverkusen
  • Studium Chemie und Promotion an der Universität zu Köln
  • 1984 Paralympics in New York – 2x Gold, 1x Silber (Schwimmen)
  • 1988 Paralympics in Seoul – 1x Gold, 2x Silber (Schwimmen)
  • 1992 Paralympics in Barcelona – 5x Gold, 2x Silber, 1x Bronze (Schwimmen)
  • 1992 Goldene Kamera
  • 1994 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Studium Jura für Patentanwälte an der Fernuni Hagen
  • 2004 Paralympics Viertelfinalistin (Tennis)
  • 1993-2006 Vorsitzende der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG)
  • Seit 2012 Mitglied der Jury der Herbert Grünewald-Stiftung

Britta Siegers über …

… ihren Wechsel zum TSV Bayer 04 Leverkusen und erste Erfolge im Leistungssport

Ich war als Kind erst in Kölner Vereinen aktiv und habe sogar an Wettkämpfen teilgenommen, nachdem ich im Alter von 3 Jahren Schwimmen gelernt hatte. Irgendwie fühlte ich mich dann als Jugendliche dort nicht mehr so zu Hause, und hatte sogar kurzzeitig aufgehört, an Wettkämpfen teilzunehmen. Dann begann aber die Suche nach einem anderen Verein und ich habe verschiedene Vereine ausprobiert. Bei einigen war ich allerdings völlig fehl am Platze. Aber das ist so ein bisschen wie der rote Faden, der sich durch mein Leben zieht, dass ich oft das Glück hatte, auf Leute zu treffen, die die entscheidenden Tipps geben. Und eben dieses Glück hatte ich bei einem Probetraining in Bensberg. Dort traf ich auf meinen späteren Mannschaftskollegen, der sofort erkannte, dass ich dort nicht richtig wäre und der mir anbot, mich mal zum damaligen TUS 04 Bayer Leverkusen mitzunehmen (heute TSV), Abholung inklusive (ich hatte da noch keinen Führerschein). Dort wurde ich eben wieder auf eine liebevolle Art an den Leistungssport herangeführt, so dass ich wieder Spaß daran hatte und mein Ehrgeiz war zudem geweckt worden.

Mein erster Start für meinen neuen Verein war bei den Landesmeisterschaften. Und dann war es so der Tag der Tage, bei dem alles RICHTIG läuft. Ich hatte einen männlichen Konkurrenten genau mit derselben Behinderung, der als unschlagbar galt; der erfolgreicher Paralympics-Schwimmer Wolfgang Goris. Er hatte einen der schwärzesten Tage und ich hatte den hellsten, denn ich habe ihn -als damals Jugendliche- zweimal geschlagen. Meine Vereinskameraden waren sich sicher, dass da schon mehr drin ist. Sie eröffneten mir die Möglichkeit, neben dem Schwimmtraining in der Behindertensportabteilung auch in der Schwimmmannschaft mitzutrainieren, was damals ein echtes Novum war. Und da hatte ich wieder das, was mir so viel bedeutete, ich war in einer Schwimmmannschaft mit Gleichaltrigen. Klar musste ich mich wahnsinnig anstrengen, um da mitzukommen. Meine Mannschaftskameraden hatten ja „zwei Motörchen“ mehr, ich musste das irgendwie ausgleichen.‘
Ich bin mir sicher, dass mir genaue dieses Training in einer Nichtbehinderten-Wettkampfmannschaft den Biss gegeben hat für die Wettkämpfe nachher und, dass dies mein Schlüssel zum Erfolg war. Zunächst war ich erst in der zweiten Mannschaft und dann wurde ich in die erste Wettkampfmannschaft aufgenommen. Ich bin sogar Nichtbehindertenwettkämpfe mitgeschwommen und auch bei Mannschaftsmeisterschaften war ich Teil des Team. Das hat mir so viel bedeutet. Ich bin immer bis zum Umfallen geschwommen, damit bloß der Trainer nicht sagte, dass ich nicht mehr schnell genug war. Also in dieser Mannschaft zu sein, war für mich alles. Mit diesem Training unter diesen idealen Bedingungen wurden meine Zeiten besser und besser und ich habe mich dann für meine ersten Paralympics qualifizieren können. Mein Schlüssel zum Erfolg war, dass ich wirklich die Möglichkeiten hatte, wie Top-Schwimmer mindestens einmal täglich zu trainieren.

… Teamwork – der Schlüssel zur Vereinbarkeit von Studium und Leistungssport

„Studium und Leistungssport waren vereinbar, aber es forderte mir schon viel ab. Und für mich galt immer das Motto: ‚Das Studium darf nicht unter dem Sport leiden.‘“

Um dies möglich zu machen und um Erfolg haben zu können, bedarf es eines starken Umfeldes aus Familie und Freunden, die großes Verständnis dafür aufbringen und wo man Unterstützung findet. Weil der Tag ist so durchgetaktet ist, da bleibt nicht viel Raum für andere Aktivitäten. Da haben die Eltern mich super unterstützt..
Ich konnte mich voll konzentrieren auf mein Studium und auf meinen Sport. Und viele Dinge wurden mir abgenommen. Ganz ehrlich, sportliche Erfolge erzielt man nicht alleine, sondern nur aus einem Team heraus; einem Team aus Freunden, Familie, Trainer und Verein . Auf ein solches Team konnte ich zurückgreifen und meine Trainer, insbesondere meinen Toptrainer Rudi Böhm, der mich exakt auf den sportlichen Höhepunkt hintrainiert hat. Aber auch das ganze Umfeld muss stimmen, dass man mental die Stärke hat, um im Wettkampf auch die Top-Leistung abzurufen. Ich hatte das Glück, eben auf so ein tolles Team bauen zu können, dass ich im Verein dieses tolle Umfeld gefunden habe, dass ich Top- Trainer hatte, die alles aus mir rausgeholt haben.”

… Unterstützung durch die Sporthilfe

“Die Sporthilfe selber, das ist heute deutlich anders, hat zu meiner aktiven Zeit mehr oder weniger Aufwandsentschädigungen für die Top- Athleten der Paralympics bezahlt. Ich habe immer gesagt, das war das Spritgeld, um zum Training hin- und herzufahren. Ich hatte über den Verein und später meinen damaligen Arbeitgeber die Bayer AG optimale Möglichkeiten während meines Chemiestudieums und konnte vor den Paralympics 2004 mit unbezahltem Urlaub diese Zeit für mehr Turniere nutzen.“

Von der Sporthilfe alleine konnte man nicht leben. Heute ist das besser, da es eben auch Möglichkeiten gibt, wie Team Olympia, um beispielsweise Beruf mit dem Sport leichter miteinander zu vereinbaren, z.B. durch Reduzierung der Arbeitszeit und Kompensation des Verdienstausfalls. Das ist schon sehr wichtig, dass man auch da genügend Zeit für den Sport und die auch notwendigen Regenerationszeiten.”

… ihren Weltrekord 1992 in Barcelona

Barcelona war sicher mein absolutes sportliches Highlight. Ich hatte mich gut extrem vorbereitet. Es war für mich klar, dass 1992 mein sportlicher Höhepunkt werden sollte, bei dem ich das Maximale aus mir herausholen wollte. Es galt, wenn nicht jetzt, dann nicht mehr, da klar war, dass ich danach mein Studium beenden und in den Beruf einsteigen würde. Und da war auch klar, dass mit dem Beruf diese Trainingsmöglichkeiten in dieser Intensität, wie ich sie vor Barcelona hatte, mit bis zu 30 Stunden die Woche, so nicht mehr abbildbar wären. Also, wenn ich noch eine Chance hatte, Bestzeiten zu schwimmen, dann in 1992. Und es hat geklappt: Die 400 Meter waren ja mein erstes Rennen bei den Paralympics 1992 und am Tag vorher war die Eröffnungsfeier, die einen emotional noch auf ein höheres Niveau katapultiert hat. Die Eröffnungsfeier mit 65 000 Zuschauern , der Einzug ins Paralympische Dorf waren sehr motivierend und haben mir den letzten Schub gegeben. Und dann war dieses 400 Meter-Rennen, was in vollem Stadium von zwei Königinnen betrachtet wurde, -der spanischen und der schwedischen Königin, denn ich hatte auch eine spanische Mitkonkurrentin im Feld. Es war eine irre Stimmung, man wurde getragen von dem Applaus der Zuschauer. Ich hatte ja im Vorlauf fast schon meinen Weltrekord verloren an die Australierin Priya Cooper, die aus dem Nichts aufgetaucht war und sich in super Form präsentierte. Ihr Rennen im Vorlauf konnte ich im Last Call Room verfolgen, bevor ich an der Reihe war. Ich pokerte, schwamm den Vorlauf taktisch und bin als Zweitschnellste ins Finale eingezogen. Das Rennen war so irre spannend. Ich kann mich heute noch an jede Sekunde des Rennens erinnern. Mir war nach dem Start das Wasser in ein Brillenglas gelaufen und ich konnte genau auf die Seite, die wichtig war, an den entscheidenden Bahnen nicht gucken. Ich spürte aber, dass die Australierin zunächst vorne war und zwar bei den ersten 150 Metern und dann wurde es ganz eng. Wir haben uns extrem gepuscht und waren superschnell unterwegs, bei der 200 m Wende war ich auf Rang 1 und unter dem 200 Meter Weltrekord und das als Durchgangszeit für die 400. Es war eine unglaubliche Stimmung, es war irre laut. Wir wurden frenetisch angefeuert, da die Zuschauer darüber informiert wurden, dass wir auf Weltrekordkurs waren. Priya und mich trennten am Ende 54 Hundertstel und ich hatte in mit neuer Weltrekordzeit gewonnen. Es wurde bei der Siegerehrung zum ersten Mal, die Nationalhymne gespielt anstelle der olympischen Hymne. Mein Konterfei erschien gepickelt auf der großen Anzeigentafel neben meinem Namen. Was für ein toller Moment.”

… den Einstieg in das Rollstuhltennis

“Ich habe auch einige ehrenamtliche Aufgaben übernommen, so z.B. bis 2006 in der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG), die weit mehr bietet als als die Kontaktpflege der Olympioniken oder die Fair-Play Initiative. Wir haben versucht, über Projekte Geld zu generieren, mit denen wir Behindertensportler/Innen aus der Region unterstützen konnten. Wir waren beispielsweise als DOG-Team beim Köln-Marathon dabei mit dem Handbike, mit Inlinern oder als Läufer. Wir hatten einen Sponsor, der für die Finisher Geld für Projekte bereit gestellt hat und wir haben mit dem Geld am Olympiastützpunkt die Laufbahnförderung für Menschen mit Behinderungen finanziell unterstützt. Wir hatten zudem einmal im Jahr einen Olympiaball im Bayer-Casino, wo auch der Überschuss aus dem Ball dafür genutzt wurde, Talente auszuzeichnen, wo es Förderpreise gab und wo wir versucht haben, mit dem Geld noch weitere Projekte zu unterstützen.

Ich bin zudem in der Jury der Herbert Grünewald Stiftung , wo wir auch einmal im Jahr für besondere Projekte Geld bereitstellen für Projekte, die die Menschen mit Behinderungen betreffen und die die Inklusion fördern.  

2012 war ich Patin des Kölner Innovationspreis Behindertensport, ein Preis den Personen oder Vereine bekommen, die Projekte durchgeführt haben, um Köln, die „Stadt mit Hetz“, noch behindertenfreundlicher zu machen.”

… Auswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention

„Es sollten sich damit vieles für Menschen mit Behinderungen verbessern und eine Gleichstellung erreicht werden. Eigentlich gut gedacht, es hat aber an vielen Stellen auch zu einer gewissen Überforderung geführt. Es ist nicht immer alles eins zu eins umsetzbar, das weiß auch jeder. Der Start war oft sehr hubbelig und ist nicht immer in die richtige Richtung gelaufen, weil eben viele auch überfordert waren, weil es plötzlich so aufoktroyiert wurde. Es war sicher sehr gut gemeint, die Umsetzung war aber schwierig und sie ist nach wie vor holprig. Es gibt auch Bereiche, wo das nicht einfach implementiert werden kann, wie beispielsweise generell in den Schulen. Dann kann man jetzt nicht einfach sagen: ‚Das muss man von heute auf morgen lernen.‘ So etwas muss wachsen. Da gibt es sicher noch viel zu tun. Die Idee ist sicher gut, man muss das aber auch differenziert betrachten. Es wird nicht in allen Bereichen gut umsetzbar sein. Man sollte dann vielleicht gewisse Schwerpunkte schaffen und es nicht generell „ausrollen“. Und bei scheinbar schwierigeren Bereichen nimmt man sich Zeit, um mal wirklich zu gucken, wie der beste Weg aussieht. Es gibt noch viel zu tun. Vor allem brauchen wir ein besseres Verständnis.  Das wird nicht schnell gehen. Das ist ein Langzeitplan, den wir haben. Und jeder Schritt, der eine gewisse Verbesserungen bietet, ist der Richtige. Aber wir dürfen da jetzt nicht hektisch herumtrommeln, wir brauchen hierfür einen langen Atem.”

Zugang zum Sport

Akzeptanz durch Mitschüler und Traningspartner

Paralympische Erfahrungen

Exponat: Goldene Kamera


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: