Friedrich Hogrefe
*1941
Ehrenpräsident des Rheinischen Schützenbundes
In seiner jahrzehntelangen Vereins- und Verbandstätigkeit hat Friedrich Hogrefe des Öfteren ins Schwarze getroffen: Von 1990 bis 2001 stand der gebürtige Niedersachse an der Spitze des Rheinischen Schützenbundes (RSB). Als Präsident stiftete er den Wanderpreis der Bezirke um den „Bergischen Schmied“, welcher auch als „Hogrefe-Pokal“ bekannt wurde.
Kurzbiografie
- Geboren 1941 in Celle
- 1955 Mitgliedschaft im Schützenverein “Otzenia” Otze (Niedersachsen)
- 1958-1961 Berufsschule in Celle
- 1961-1969 Betriebsschlosser und Konstrukteur bei der DEMAG AG in Duisburg
- 1962-1972 Vereins-, Kreis-, Bezirks-, Landesjugendleiter im Rheinischen Schützenbund
- 1963 Jugendwart bei der Rheinhauser Schützengilde
- 1969-1970 RSB-Landesjugendleiter
- 1984-1990 RSB-Vizepräsident
- 1990 Erste Auflage des „Hogrefe-Pokals“
- 2000 Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen
- 1990-2001 RSB-Präsident
Friedrich Hogrefe über …
„Durch die Fürsprache eines sehr guten Bekannten aus dem Familienkreis hatte ich die Gelegenheit bekommen, eine Stellung als Betriebsschlosser in Duisburg anzutreten. Wie gesagt: Ende März war meine Lehre abgeschlossen und ich bin am 4. April 1961 mit kleinem Gepäck in den Zug gestiegen. Auf geht’s nach Duisburg. Das war eine Ecke. Und was erwartet dich dort? Was kommt auf dich zu? Ich wusste, dass ich untergebracht werde in einem Ledigenwohnheim, was der Firma gehörte, zu der ich dann kam.
Aber das Stadtleben war etwas, was mir völlig unbekannt war. Das war gewöhnungsbedürftig. Es war nicht viel Zeit dafür da. Die Lehre hatte zwar eine normale Arbeitszeit, acht, neun Stunden, aber es war schon sehr früh mit Überstunden und Ähnlichem verbunden, auch während der ersten Einarbeitungszeit dort. Und natürlich auch die Gegebenheiten, die sich so zeigen, in der Stadt an sich. Randgebiete, Industrie, die Altstadt war zum großen Teil zerbombt. Es sah nicht allzu schön aus. Aber das störte eigentlich gar nicht so sehr.
Im Nachhinein muss ich sagen, es muss schon schlimm ausgesehen haben. Denn wenn ich mich erinnere, diese Firma, die DEMAG in Duisburg, lag seinerzeit direkt am Rhein, direkt daneben die sogenannte Kupferhütte. Ich erinnere mich: Nach dem ersten Jahr im Ledigenheim bin ich in Untermiete zu einer älteren Dame gezogen, die mich dann beköstigt hat. Und ich erinnere mich: Jeden Morgen musste eigentlich das Fenster erst mal aufgemacht werden. Und auf der Fensterbank, das war Ruß, das war brauner Kupferstaub, der da drauf war. Ich weiß nicht, wie die Frauen ihre Wäsche sauber bekommen haben. Es war kaum möglich, das draußen hängen zu lassen oder Ähnliches zu tun.
Vom Rhein habe ich mitgenommen: Immer dieses Tuten der Dampfer zur damaligen Zeit. Oder die Dieselmotorengeräusche, die einen bei Nacht und bei Tag begleitet haben, denn ich wohnte auch ganz in der Nähe der Firma, also am Rhein.
Mein Berufsleben, wenn ich heute so zurückdenke … mir fiel bei der Suche nach den Unterlagen auch meine erste Rentenversicherungskarte in die Finger. Und da stand drauf: Für die letzten drei Monate im dritten Lehrjahr waren dort 315 DM eingetragen. Das war damals viel Geld. Wenn man heute zurückdenkt, dann kann man diese Unterschiede kaum vernünftig unterbringen. Aber durch Überstunden und ähnliches habe ich dann eigentlich während meiner ersten Arbeitsjahre doch recht gut dazuverdienen können. Da waren Überstunden drin und ähnliches. Es blieb Freizeit, die man auch im Ruhrgebiet, und Duisburg zähle ich nun mit zum Ruhrgebiet, sehr gut verbringen konnte. Es gab vieles zu tun.“
„Ich habe 1963 geheiratet. Meine Frau kam ebenfalls aus dem Bereich meiner Kindheit und wir zogen nach Rheinhausen, direkt gegenüber. In Rheinhausen, wie auch in Duisburg, hatte ich gleich wieder versucht, Anschluss zu finden mit dem Schießsport. Das war das erste, das war ein Anknüpfungspunkt. Da habe ich gedacht: Da gehst du hin, da kannst du was tun. Und man war gleich in etwas drinnen, wo man mitreden konnte oder mitreden durfte. Man fand also wesentlich schneller den Anschluss im Privatleben. Von der Berufsseite her war klar, da war genügend Bekanntschaft, die sich da aus der beruflichen Seite ergab, aber so in das Gefühl der Rheinländer hineinzukommen, das habe ich in den ersten Jahren sowieso nicht geschafft. Das war etwas zu schwierig für mich als Niedersachsen. Aber immerhin, es klappte eigentlich ganz gut.
Und nachdem ich dann in Reinhausen ebenfalls in den Schützenverein eingetreten war, weiß ich noch, dass ich auch diese Erfahrung aus der Trainingslehre aus der Schießwartausbildung mit rüber nehmen konnte. Das war etwas Neues da.
‚Dann machst du doch gleich mal den Jugendbereich hier. Wir haben hier einige, da kannst du doch den Jugendleiter machen.‘ ‚Ja, mache ich ganz gerne.‘
Jugendleiter auf der einen Seite, auf der anderen Seite Fahnenträger bei der Teilnahme am Rheinischen Schützentag. Das war 1964 in Oberhausen. Auf jeden Fall war das dann so der Anknüpfungspunkt. Da kannst du mit weitermachen. Und das ergab sich dann von alleine, wenn man erst einmal mit einer Jugendgruppe drin war und mit dieser Trainingsgruppe oder mit der ersten Jugendmannschaft, dann konnte man auch an Wettbewerben auf der nächsthöheren Ebene, auf Kreisebene teilhaben. Das war etwas, was eigentlich sehr gutgetan hat oder sehr gut gefallen hat.“
„In Rheinhausen selbst hatten wir vier Schützenvereine. Und jeder veranstaltete sein Schützenfest. Jeder Verein hatte aber auch seinen Schießstand. Das waren teilweise Schießstände, die einfach aufgebaut wurden auf der Kegelbahn in einer Gastwirtschaft. Meist war es eine Verbindung zur Gastwirtschaft. Wenn der Gastwirt einen Saal hatte, dann wurde in dem Saal geschossen. Schützenhäuser kamen eigentlich erst gegen Ende der 60er-Jahre, als wieder einigermaßen Geld und Zeit für den Bau zur Verfügung stand. Die erste Zeit war eigentlich auch das Schützenfest auf diese Örtlichkeit der Gastwirtschaft oder des Ortes, wo man sein Schießen veranstaltete, beschränkt. Denn meistens stand dann auch ein Saal zur Verfügung, in dem das Schützenfest abgehalten werden konnte. Andere bauten dann auf einem Dorfplatz oder irgendwo, wo die entsprechende Gelegenheit war, mit Toiletten oder ähnlichem, auch Zelte auf, um in diesen Zelten die Schützenfeste abwickeln zu können.
Das Vogelschießen wurde meistens veranstaltet an einem Schützenhaus an einem Schützenplatz. Denn da mussten ja doch gewisse Sicherheitsabstände eingehalten werden. Das konnte man nicht irgendwo inszenieren. Es waren damals also schon sehr strenge Regeln, kann ich mich erinnern, die von sogenannten Schießstandssachverständigen beachtet oder aufgedrückt wurden, um tatsächlich auch alles einigermaßen sicher über die Bühne bringen zu können.
Da waren auch sehr viele Zuschauer da. Da mussten natürlich auch die örtlichen Honoratioren mit eingebunden werden. Der Bürgermeister muss dabei sein, der durfte meistens auch noch den ersten Schuss tun, wenn es nicht noch eine höhergestellte Persönlichkeit war, die als Ehrengast anwesend war, um diesen Dingen nachkommen zu können. Auch damit diesen Ehrengästen oder dem Bürgermeister dann auch als Pendant angeboten werden konnte, dass die Presse mit teilhaben konnte und darüber berichtet werden konnte. Das war ein Geben und Nehmen. Der Bürgermeister war froh, dass er etwas sagen durfte, auf der anderen Seite aber auch sicher sein konnte, dass das, was er sagte, in der Presse wiederum in die Öffentlichkeit kam. Das, was damals im kleinen Kreis so war, ist heute nicht viel anders.
Die Straßen mussten für den Umzug geschmückt sein. Die wurden geschmückt. Auf dem Land war es so, dass man halt in der Woche vor dem Schützenfest rausfuhr in den Wald und holte Birkengrün oder Ähnliches dazu. Und dieses Birkenreisig wurde dann praktisch vor den einzelnen Häusern einfach abgeladen und verteilt. Die Hausbewohner hatten die Aufgabe, dann auch praktisch mit dem Birkengrün die Straßen einzusäumen und zu verschönern, soweit es eben möglich war.“
„Es entwickelte sich eigentlich aus den Kinder- und Jugendrepräsentanten oder Prinzen und Prinzessinnen, dass da offenbar nicht mehr genügend Jungs waren. Dann waren die Mädchen damals Prinzessin. Und so hat sich das im Laufe der 1970er-Jahre eigentlich auch wesentlich stärker dahingehend entwickelt, dass auch dann gemeinschaftlich um die Würde des Königs und der Königin geschossen wurde. Und damit war es den Frauen ohne Weiteres gestattet, auch dazuzukommen. Bei den Schützenvereinen, die sich aus Bruderschaften entwickelt haben oder die als Bruderschaften bestanden, war über lange Jahre ein wesentlich strengeres Reglement gewesen, dass Frauen da einfach nicht daran teilnehmen durften. Die Frauen waren ausgeschlossen. Sie durften zwar mitarbeiten und mithelfen, aber waren ausgeschossen. Aber die rein bürgerlichen Schützenfeste waren in der Frühzeit, in den 1950er-, 1960er-, 1970er-Jahren schon wesentlich lockerer und wesentlich gemischter. So war es in den 1970er-Jahren also durchaus auch schon gegeben, dass eine Frau Vorsitzende eines Schützenvereins wurde, wenn kein anderer da war, der es übernehmen wollte. Oder weil sie auch so emanzipiert war, dass sie anerkannt wurde: ‚Die können wir gebrauchen, die kann das machen, die entwickelt das für uns richtig.‘“
„Über meine Tätigkeit im Verein oder im Kreis und Bezirk hatte ich die Möglichkeit, auch an dem Rheinischen Schützentag, der einmal im Jahr obligatorisch stattfindet, teilzunehmen. Das ist praktisch ein Delegationstag, an dem die obligatorischen Dinge in der Organisationsstruktur abgewickelt werden müssen, wie Wahlen, Kassenberichte und ähnliches über den Sport mit Organisationsmitteilungen und Ähnlichem. Dazu gehört dann auch immer bei den Wahlen die große Fragestellung oder die bloße Vorstellung derjenigen, die die Leitung gerade hatten. Und ich erinnere mich: 1969 auf diesem Schützentag im Süden war der Landesjugendleiter Buchholz, der dort mit seinen, ich glaube, er war seinerzeit schon weit über 60 Jahre alt, über die Jugend im Rheinischen Schützenbund erzählte oder berichtete, was sie vorhaben und was sie tun werden.
Ich hatte das Gefühl, irgendetwas läuft doch da schief. Der redet über Dinge, die uns als Jugendliche oder als Jugendleiter, die wir ja im Alter zwischen 20 und 30 zu dem Zeitpunkt waren, eigentlich so gar nicht interessiert. Der kann doch nicht einfach bestimmen, was sie da machen wollen. Wo ist denn die Demokratie, von der überall die große Rede ist? Und gerade über die in den vorherigen Jahren abgebildeten staatsbürgerlichen Bildungsmaßnahmen hat man über die guten Ausbildungsmöglichkeiten beim Deutschen Schützenbund, beim Landessportbund, ja so ein bisschen das Gefühl mitbekommen, was sollte uns eigentlich interessieren oder was interessiert die Jugendlichen? Auf jeden Fall bin ich ihm dann in seinen Ausführungen zur Vorstellung des Landesjugendleiterpostens irgendwie in die Parade gefahren und habe ihm gesagt, das interessiere doch keinen Menschen hier. So ungefähr. Auf jeden Fall bin ich unangenehm aufgefallen.
Drei Tage später kriege ich einen Anruf von der Geschäftsführerin des Rheinischen Schützenbundes, der Frau Gänsemüller: ‚Herr Hogrefe, der Herr Göbbels hätte sie gerne gesprochen.‘ Der Herr Göbbels war Vorsitzender des rheinischen Schützenbundes in Düsseldorf. Am Telefon sagt er: ‚Sie haben da ein paar Worte gefunden, die mich aufhören ließen. Hätten Sie mal Interesse, für uns, auf der Verbandsebene tätig zu werden?‘ Ich habe ‚Ja‘ gesagt.
Ein Jahr später, auf dem Delegiertentag wurde ich dann Landesjugendleiter und kam somit in das Präsidium des Rheinischen Schützenbundes in Düsseldorf.“
„Die Älteren hängen noch wesentlich stärker am Schützenwesen aus seinen Ursprüngen heraus. Die einen sagen, es kam vom Schießen, die anderen sagen, es kam vom Schutz oder Schützen – wie man auch sagen möchte. Und diese Begebenheiten der Schützen sieht man eigentlich getrennt zwischen den mehr katholisch geprägten Bruderschaften und den evangelisch geprägten anderen Vereinen. Die Bruderschaften sind eigentlich verstärkt vertreten in den katholischen Bereichen. Und auch dort geht es eigentlich mehr auf die Historie und den sozialen Charakter. Damit will ich keineswegs sagen, dass nicht die anderen Schützen, die Sportschützen-Vereine oder auch Schützenvereine, die Sport und Gesellschaft miteinander vereinbaren, dass die weniger sozial sind. Ganz und gar nicht. Denn das Helfen untereinander, ist nach wie vor etwas, was tatsächlich auch dort mit zur Kultur gehört.
Zurück zu der Frage. Sie fragten ja, ob die Wirkung des Leistungssports vorrangig ist oder es eigentlich der gesellschaftliche Charakter ist, den wir in den Vereinen haben?
Es gibt reine Sportvereine, die tatsächlich nur Sport treiben. Aber wenn ich die reinen Sportschützen nehme, dann würde ich im Moment schätzen, liegt das bei 40 Prozent. 60 Prozent der Mitglieder sind meines Erachtens immer noch nicht aktiv im Schießsport. Die machen ab und zu mal das Gesellschaftsschießen mit. Aber betreiben nicht direkt den Sport an sich. Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt ja durchaus Gegenden, wie zum Beispiel im Sauerland … Ein Problem des Westfälischen Schützenbundes ist, dass der Sauerländische Schützenbund nicht im Deutschen Schützenbund als Mitglied ist, sondern nur Mitglieder aus dem Sauerländischen Schützenbund sich vereinen, sich als Sportgruppe abspalten und als Sportgruppe dann wieder Mitglied im Westfälischen Schützenbund sind.
Natürlich ein sehr beachtetes Problem beim Landessportbund hinsichtlich der Einflüsse. Da ist ein Verein, aber die zahlen keine Beiträge an den Landessportbund, obwohl sie vielleicht in dem Verein sind. Aber da ist es eigentlich so geprägt: Die agieren ja eigentlich nur als Schützenfest-Vereine einmal im Jahr, wenn sie ihr großes Schützenfest feiern. Dann sind da offenbar 3000 – 4000 Mitglieder, die als ein Verein aufgetreten. Die feiern ihr großes Schützenfest und fallen danach wieder mehr oder weniger auseinander und sind nicht mehr als direkter Verein ansässig.“