
Elisabeth Pott
*1949
Langjährige Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Elisabeth Pott zog es zum Medizinstudium nach Bonn. Früh konnte sie in (Bundes-)Ministerien Fuß fassen, ehe sie sich in leitender Position bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für die Prävention von AIDS/HIV starkmachte.
Kurzbiografie
- Geboren 1949 in Bochum
- 1967-1974 Studium der Medizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- 1976 Approbation und Promotion (in Bonn) in der Gerichtsmedizin
- 1978-1981 Referentin im damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
- 1981-1985 Referatsleiterin im Ministerium für Soziales des Landes Niedersachsen
- 1985-2015 Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
- 2002-2008 Gründungsvorstandsmitglied der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschlands. Ressort: Prävention und Aufklärung
- Seit 2007 Gründungsmitglied des Kuratoriums der Aidshilfe NRW e. V.
- 2011-2017 Leitung des Bundesfachausschusses Gesundheit der FDP
- Seit 2013 Mitglied im Hochschulrat der Deutschen Sporthochschule Köln
- 2015-2018 Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aids-Stiftung
Elisabeth Pott über …
„Spaß und Bewegung und Spiel spielt da eine ganz große Rolle, weil wir als Kinder natürlich keine Smartphones hatten, sondern als Kinder natürlich einfach draußen gespielt haben, so gut es eben irgendwie ging und man hatte so viele Freunde.
Die Wohnlage war etwas anders als heute. Man wohnte mit Garten und im Grünen und Stadt hin oder her. Aber es war doch eigentlich eher ein bisschen ländlich, und da konnte man dann natürlich sehr schön spielen, im Herbst auch mit Obst und Gemüse, weil der Garten das auch hergab. Und dann haben wir natürlich auch sehr viel getobt, was ja auch ganz normal war. Und damals war man auch in den Familien daran gewöhnt, dass Kinder sich so verhalten. Das war auch ganz normal. Da hat keiner sich aufgeregt und gesagt: ‚Du musst aber leise sein, du musst da und da und darfst dich nicht bewegen.‘ Nein, das war alles so üblich.
Und dann fuhren meine Eltern mit uns auch zu einem nahegelegenen Teich, wo man auch schwimmen lernen konnte. Und dann sind wir da schwimmen gegangen und auch mit einer Luftmatratze konnte man sich ausruhen und sich auch festhalten, wenn man Angst hatte oder wenn es zu tief wurde. Also es war alles sehr entspannt. Und dann zwischendurch hat man dann im Gras gesessen und dann auch zwischendurch ein bisschen Kaffee gekocht und solche Dinge getan, die auch nicht nur Spiel, Spaß und Spannung erzeugt haben, sondern auch ein bisschen Genuss. Und das war eigentlich rundherum ganz schön. Da haben wir immer Freunde mitgenommen und Bekannte, die auch mitfahren wollten. Ja, und das war eigentlich sehr angenehm. Und ich bedaure immer heute die Kinder, wenn ich sehe, wie die heute leben. Wenn die heute alle auf ihr Smartphone glotzen, sich nicht bewegen, dann tut mir das leid, weil das ist doch sehr schade.
Ich erinnere mich sehr gut und das war eigentlich sehr schön, weil wir damals in der Schule, in der Grundschule, habe ich mich gefreut, dass ich jetzt auch zur Schule gehen konnte. Da habe ich auch meine Mutter immer gedrängt: ‚Du musst mal zum Elternsprechtag gehen.‘ Da wollte sie aber nicht hin. Sie hat gesagt: ‚Wieso soll ich denn da hingehen? Du hast doch gute Noten, da brauche ich doch gar nicht hinzugehen.‘ – ‚Ja, aber es ist besser, es macht einen besseren Eindruck.‘
Und dann bin ich aber auf die Oberschule gegangen, das hieß damals Gymnasium bei uns. Und dann musste man aber eine Prüfung machen: drei Tage mit mündlichem Unterricht und dann auch drei verschiedene Arbeiten schreiben – eine Mathearbeit, einen Aufsatz und ein Diktat. Und danach wurde man bewertet, und dann wurde das war die Aufnahmeprüfung, und dann wurde entschieden, ob man kommen darf oder nicht. Und so bin ich dann auch in das Wattenscheider Neusprachliche-Mädchen-Gymnasium gekommen, und da bin ich auch sehr gerne hingegangen.
Ich hatte vorher schon meiner Mutter gesagt: ‚Ich gehe aber nicht für zehn Jahre in die Grundschule, das mache ich nicht. Ich gehe dann aufs Gymnasium.‘ Das war mein eigener Wille. Ich wollte das gerne. Es war nicht so, dass ich dazu gedrängt werden musste oder das unbedingt musste, weil mein Vater das schon gemacht hatte. Nein, ich habe das selber entschieden. Und dann hat meine Mutter gesagt: ‚Ja, dann ist doch gut.‘
Aber damals war noch die Zeit, wo eigentlich es nicht so üblich war, dass unbedingt Mädchen zum Gymnasium gingen, sondern es war noch so, dass viele Mädchen so Sekretärin wurden oder so was. Und das wollte ich schon mal gar nicht. Und daraufhin bin ich nach Wattenscheid aufs Mädchengymnasium. Und da wurde natürlich auch dann der Leistungssport implementiert, will ich mal so nennen, im Sinne von Sportabzeichen, die gemacht wurden. Das war ja schon mal ganz gut mit Schwimmen, mit Laufen, mit Springen und Werfen. Und dann habe ich da so in Erinnerung, dass ich so mittelprächtig abgeschnitten habe. Aber jedenfalls war ich auch nicht schlecht.“
„Ich wollte eigentlich Landärztin werden. Aber dann habe ich so viele Gespräche geführt, dass mir die Leute gesagt haben: ‚Landärztin, das ist einfach unmöglich als Frau. Viel zu gefährlich.‘ Weil man ja auch nachts raus muss. Man muss, und dann ist da kein Mensch weit und breit. Und vor allen Dingen findet man keine Kollegen, weil da will ja keiner hin, aufs Land. Insofern habe ich dann hin und her überlegt, und dann bin ich in ein Krankenhaus hier gegangen. Mein Praktikum habe ich am Anfang übrigens noch in Bochum gemacht, da war ich im Bergmannsheil-Krankenhaus.
Aber nach der Promotion musste ich ja die Assistenzarztzeit machen. Die Assistenzarztzeit habe ich dann in Bonn, im Malteser-Krankenhaus, gemacht. Dort habe ich mich in der Chirurgie beworben. Ich finde, man muss zu Anfang alles Mögliche ausprobieren. Dann bin ich zu Dr. Hoppe gegangen, das war der Chef da. Und dann hat er gesagt: ‚Ach, wissen Sie was, Frau Pott, meine Frau ist zu Hause geblieben und hat vier Kinder gekriegt. Und ich finde, das sollten Sie auch machen.‘
Und dann habe ich gesagt: ‚Herr Dr. Hoppe, das will ich aber nicht. Ich will bei Ihnen hier Chirurgie machen.‘ Dann haben wir uns lange unterhalten, und zum Schluss hat er gesagt: ‚Na ja, also wenn Sie das unbedingt wollen, dann machen Sie es halt.‘ Dann habe ich es gemacht. Und dann durfte ich hinterher auch als Assistenzärztin wiederkommen. Dann habe ich den ersten Job als Assistenzärztin gemacht und den eben weitergemacht und vor allen Dingen in der Chirurgie gearbeitet. Erst danach bin ich in ein Bundesministerium.
Da habe ich gedacht: Die nehmen bestimmt nur so alte, erfahrene Ärzte, weil ich gelesen hatte, was die da machen sollen. Und dann war ich überrascht. Da haben die gesagt: ‚Nee, wir nehmen Sie.‘ ‚Wieso denn das?‘ Und dann habe ich festgestellt: Meine Referatsleiterin war auch eine relativ junge Frau, und die hatte gesagt: ‚Ich will eine Frau haben.‘ Und dann ist das gekommen. So war ich dann zum ersten Mal im Bundesarbeitsministerium, und da war ich aber schon für Prävention zuständig.“
„Erst mal bin ich sehr froh gewesen, dass ich das gemacht habe, weil ich dadurch sowohl die Bundes- als auch die Landesebene kennengelernt habe und den Unterschied kannte und wusste, was denn da unterschiedlich ist. Zum Beispiel, dass die Krankenkassen immer beim Bund angesiedelt sind und die Länder immer mit ihrem öffentlichen Gesundheitsdienst dann auch die Zuständigkeit und Verantwortung für die Gesundheitsämter hatten, was sie aber damals schon versucht haben, so weit wie möglich abzuschieben, weil sie natürlich die Kosten nicht haben wollten, obwohl die Gesundheitsämter sehr, sehr wichtig für die Länder sind.
Die sind aber auch immer so klein gehalten worden, dass sie eigentlich nichts Vernünftiges zusammen machen können, weil da ist auch nie was außer Beratung im Gesundheitsamt bei rausgekommen. Wer geht schon ins Gesundheitsamt? Da hat sich bis heute ja nicht so dramatisch was verändert.
Als ich nach Niedersachsen kam, war in der Tat der Minister der Schnipkoweit, und der Landeschef war der Albrecht. Dessen Tochter war die heutige Frau von der Leyen, damals hieß sie Röschen. Das war dann auch sehr interessant damals, weil ich finde, Hannover ist eine viel schönere Stadt, als man denkt. Was da so kolportiert wird, stimmt überhaupt nicht, und die Menschen sind herzlich, freundlich und aufgeschlossen. Es ist eine überschaubare Stadt, man kann alles erlaufen, und dann gibt es die Herrenhäuser Gärten und auch Schönheiten da. Und das hat mir alles ganz gut gefallen.
Und dann war ich in der Zeit, als ich im Sozialministerium war, auch Theaterarzt und musste dann auch ins Ballhof-Theater und in die Oper usw. Ich kriegte immer Freikarten und durfte dann auch gucken. Wenn einer krank wurde von den Schauspielern und Schauspielerinnen, dann sollte ich da auch was machen. Also das war natürlich auch eine interessante Zeit, aber von der anderen Seite auch anstrengend.
In der Prävention hatte sich in dieser Phase kaum was geändert, eigentlich gar nichts, bis ich dann nach Köln kam und die Bundeszentrale übernommen habe. Bis dahin ist alles eigentlich gleich geblieben. Man hat immer gedacht: Für ganz wenig Geld kann man tolle Prävention machen. Und das ist natürlich Quatsch. Das konnte man nicht, und man brauchte schon Geld. Und man braucht auch kompetente Leute, um das machen zu können. So geht es eben nicht. Aber die Einsicht darin hat völlig gefehlt. Es hat auch keiner dafür gekämpft.“
„Ich habe viele Schulungen gemacht, weil ich natürlich nicht alles von mir heraus gekonnt habe. Ich hatte ja eine medizinische Ausbildung und hatte dazu auch gute Lehrer aus verschiedensten Bereichen, weil man muss ja dann auch die Vielfalt dessen sehen, was da läuft. Und deshalb wusste ich auch sehr schnell, dass wir nicht nur eine Werbekampagne machen mussten, sondern eine Marketingkampagne. Weil das ist natürlich sehr, sehr wichtig, dass man da den Unterschied auch kennt und dass man damit auch arbeitet.
Finanzielle Mittel mussten erst eingeworben werden. Und natürlich ist es dann auch gerade deshalb zum großen Schwerpunkt geworden, weil wir da auch wirklich viel Geld bekommen haben. Bis dahin hat es ja für nichts Geld gegeben in der Prävention. Und bei AIDS hat es dann plötzlich 50 Millionen DM gegeben im ersten Jahr und dann jedes Jahr etwas weniger.
Natürlich ist das BZgA eine nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums, aber es ist auch so: Es kommt immer ein bisschen darauf an, wie kämpferisch eine Leitung ist und auch, wie selbstbewusst und selbstständig, aber auch wie kompetent, und wie weit man auch einen Minister überzeugen kann, dass das, was man machen will, richtig ist oder nicht. Und das ist nicht immer einfach, weil es muss ja in dessen Linie sein, und das muss auch in dessen Denke irgendwie möglich sein. Und das gehört ja dazu, dass man dem auch klarmacht, wie viel Selbstständigkeit und Unabhängigkeit das erfordert. Und dann kann er auch mitgehen.
Der Geißler war am Anfang noch da und dann die Rita Süssmuth. Die ist aber dann sofort gekommen, der Geißler ist ja nur noch Generalsekretär gewesen und hat dann das Ministeramt abgegeben. Ich weiß nur, dass er zurückgetreten ist, weil die Rita Süssmuth Gesundheitsministerin werden sollte, um die Frauengesundheit nach vorne zu bringen. Und deshalb wurde er ja geholt. Als Generalsekretär hat er noch weitergemacht. Da hatte aber der Staatssekretär im Wesentlichen die Arbeit gemacht für den Geißler.“
„Wir haben mit allen großen Sportverbänden die Zusammenarbeit bei diesem Thema der Suchtprävention gesucht. Das ist ja auch ganz wichtig, weil alle Sportverbände, auch die, die später Leistungssportler ausbilden wollen oder ausbilden, die brauchen ja von Anfang an, von Kindheit an, eigentlich eine Strategie der Sportförderung und Suchtprävention. Das wissen Sie auch, dass ich auch in der NADA mal gearbeitet habe. Und dann heißt das ja auch: Wenn die da nicht dopen sollen, dann müssen sie auch frühzeitig auf die Suchtprävention achten, auch im Sinne von ‚Nein‘ sagen können und in diesem Bereich vorbereitet werden. Und das haben wir von Kindern an getan.
Und da haben wir mit allen Sportverbänden zusammengearbeitet: Deutscher Turnerbund, Deutsche Basketballmannschaft, Deutscher Olympischer Sportbund – ich weiß gar nicht, ob der damals schon DOSB hieß oder noch DSB, aber ist ja egal. Ja, und mit allen großen Sportverbänden haben wir zusammengearbeitet, um dann dieses Thema zu transportieren. Und dann haben wir auf der Bundesebene eine Vereinbarung geschlossen und das natürlich auch runtergebrochen, sodass wir mit den kleineren Verbänden auf der kommunalen Ebene zusammengearbeitet haben, damit die das auch machen. Wir haben Material für die entwickelt, sodass die dann auch in eigener Regie Veranstaltungen zu diesen Themen machen konnten.
Die Sportverbände haben das ziemlich offen aufgenommen, weil das für sie eigentlich nicht so viel Zusatzarbeit bedeutet hat. In der Schule war das ein bisschen anders, weil die immer gesagt haben: ‚Wir können nicht noch mehr machen, als wir schon machen. Das ist viel zu viel!‘
Und die Sportverbände haben sich ja auch eigentlich gefreut, weil sie der Meinung waren, sie haben diese Probleme und sie müssen was tun. Und wir haben ja auch gleichzeitig Trainerausbildungen, Übungsleiterausbildungen und überhaupt Multiplikatorenschulungen gemacht. Und wir haben auch die Eltern oft einbezogen, sodass wir gerade bei solchen Mitmachaktionen wie ‚Kinder stark machen‘ immer alle, die damit in Verbindung stehen und die Verantwortung für Kinder tragen, mit eingebunden haben.“