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Christoph Parade

*1934
Architekt zahlreicher Schulen und Sporthallen in NRW der 1960er- bis 1980er-Jahre

Christoph Parade, geboren 1934 in Breslau, ist bekannt für seine funktionalen und urbanen Entwürfe, die moderne Architektur mit historischer Bausubstanz vereinen. Seine Arbeiten betonen nachhaltiges Bauen und die Harmonisierung von Ästhetik und Nutzbarkeit.

Kurzbiografie

  • Geboren 1934 in Breslau
  • Abitur in Lindau
  • 1948-1972 Mitglied im Tennis Club
  • Studium Uni Stuttgart
  • Stipendium an der Princeton University, NY, USA
  • 1. Rang Ski-Meisterschaften TH/UNI Stuttgart
  • 1952/53 Club-Meister Tennis
  • ?-1959 Ski-Rennkader der Uni Stuttgart
  •  Lehre in MSA Münster
  •  Gastprofessur Uni Havanna und Uni Dortmund
  • Architekt, Parade Architekten
  • Deutscher Vertreter beim UIA, Themengebiet Sport – Freizeit – Tourismus

Christoph Parade über …

… die Nachkriegszeit und Naturverbundenheit

Während der Schulzeit sind wir am Anfang jedes Wochenende in die Berge. Nicht mit Liften, wir sind hochgekraxelt auf 2000–3000 Metern, mit Fellen. Ich weiß noch, damals gab es eine Deutsche Jugendmeisterschaft. Es war in der Abiturklasse. Die Deutsche Jugendmeisterschaft fand damals im Allgäu in Immenstadt statt, und ich kriegte von dem Klassenlehrer keine Genehmigung, um da teilzunehmen. Aber dann bin ich am Samstagnachmittag los. Bis Samstag hatte man Schule. Am Sonntag habe ich nur Spezialslalom mitgefahren und da machte ich dann den dritten Preis und kam zurück mit Bronze. Ich habe ja nie trainiert. Die Bronzeplakette habe ich heute noch. Dann hat sich das Verhältnis zu dem Klassenlehrer etwas geändert. Das hat er zumindest akzeptiert.

Ja, und dann die Zeit: Zuerst waren die Amerikaner da, und dann waren die Franzosen da. Während wir nach Lindau kamen, waren die Franzosen da. Das hat man nicht so gespürt. Obwohl natürlich dann die ganze Entnazifizierung kam und jeder musste Bescheid sagen, dass er nur Mitläufer war oder gar nichts war. Aber das hat uns als Kinder und als Jugendliche nicht so stark berührt. Wir waren auch schon ein bisschen gepolt, dass das wie eine Fremdherrschaft ist. Und da denke ich oft dran: Auch in anderen Gebieten, wie in der DDR, die sind auch ein bisschen geprägt worden. Obwohl ich dort selber sehr viele Verwandte habe. Und die haben sich langsam daran gewöhnt, dass das alles ja nicht nur positiv war, wie wir gegenüber den früheren Feinden gedacht haben.
Aber ich habe das sehr genossen, diese Zeit in Lindau.

Mein Vater war ja Arzt, Mediziner. Der hat einen Lehrstuhl an der Uni gehabt – also Lehrer an der Uni konnte ich nicht werden. Meine Mutter, die dann sehr früh starb, dachte, ich würde so, wie mein Onkel werden. Weil ich so naturverbunden war.
Wir hatten einen Onkel, der machte sehr viele Fahrten und Reisen. Der hatte einen Freund, Sven Hedin hieß der, und mit dem fuhr er nach Tibet und schrieb ein Buch in Andalusien: ‚Herbsttage in Andalusien‘. Dann meinte meine Mutter: ‚Das ist doch für den Typen so gerade recht.‘
Aber eines Tages regnete es, und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Dann habe ich gezeichnet. Und Zeichnen war für mich das Wichtigste in der ganzen Schulzeit. Mathematik hat mich nicht so interessiert. Das interessiert mich immer noch nicht so arg. Aber zeichnen mochte ich gern. Dann dachte ich: Vielleicht kannst du das verwenden. Und ich weiß noch, wie ich meinem Vater sagte: ‚Ich werde Architekt.‘ Und damit war das Ding geregelt und für mich gelaufen. Er hat gesagt: ‚Wenn du willst, dann mach das doch.‘

Jeder sagte: ‚Hör mal, da musst du eine reiche Bauunternehmer-Frau heiraten. Und kannst du genügend Mathematik?‘ ‚Da interessiere ich mich nicht so sehr dafür.‘ ‚Dann bist du nicht geeignet für Architektur.‘

Dann habe ich sehr früh Abitur gemacht, mit 17. Das ist heute nicht selten, aber damals war das anormal. Mit 17 habe ich ein Jahr auf dem Bau gearbeitet in der Schweiz. Und zwar in Sankt Gallen, in Appenzell und in dem Bereich auch noch in Sargans. Und das auch im Winter. Und wissen Sie, wenn man da in der Schreinerei arbeitet: Die haben das Holz gestapelt mit vier, fünf Fingern, weil die anderen schon weg waren. Ich musste mit zehn Fingern Holz stapeln, ohne Handschuh. Was aber das Schönste war: Ich bin immer jedes Wochenende Skigelaufen, ganz alleine, vier, fünf Stunden mit den Fellen. Und das hat mich auch der Natur noch nähergebracht. Und die Verbindung zur Natur und dieses Genießen, das ist für mich ein ganz wesentlicher Teil. Und deshalb, glaube ich, kommt auch vieles im Sport zustande, dass ich sage: ‚So gerade Strecken, die laufe ich auch. Aber eigentlich möchte ich mal links und mal rechts gucken, will was erleben.‘ Nicht nur Sport auf Zeit oder das Ergebnis des Wettrennens, sondern auch das Erlebnis und das, was man an seelischem Input reinbekommt, das ist mir genauso wichtig. Das war die Zeit nach dem Abitur dann.“

… seinen ersten Auftrag zum Bau einer Schule

„Die Frage, wie ich zur Architektur kam, ist eine ganz blöde Geschichte, aber sie stimmt:
Der Klassenlehrer, der damals in der Oberprima war, fragte mich, was ich eigentlich werden wollte. ‚Ich? Beamter!‘ Da hat er schallend gelacht. Ich dachte: Wieso denn? Beamter ist doch nicht schlecht. Ich habe mir nie Gedanken gemacht, was ein Beamter macht. Mein Vater mit dem Lehrstuhl war ja auch Beamter. In Stuttgart war ich so ein bunter Hund und habe immer Sachen gemacht, die eben gerade daneben waren oder gerade richtig waren. Ich ließ mich nie einreihen, nach dem Motto: So macht man das und so wird es gemacht.

Dann kam ich aus Princeton zurück und hatte vier Angebote. Zwei Angebote, um in den USA zu arbeiten, in Boston und in Pittsburgh. Das andere in Stuttgart als Assistent im Lehrstuhl, Zeichnen und Modellieren. Und dann hatte ich noch ein anderes Angebot. Aber das habe ich zunächst mal nicht angenommen. Ich habe gedacht, ich muss mir erst mal eine Wohnung suchen, als ich diplomiert hatte. Und als ich die Wohnung suchte, habe ich gemerkt: Ich komme ja gar nicht zum Arbeiten.

Da haben wir für fremde Architekten gearbeitet. Und einen Architekten, den kannte ich. Der war eigentlich ganz erfolgreich. Zu dem habe ich gesagt: ‚Pass auf, ich möchte bei dir mal was zeichnen.‘ Und da hat er sich riesig gefreut. Und da haben wir Wettbewerbe gemacht, mit meiner damaligen Frau. Wir waren schnell im Entwerfen. In zwei, drei Tagen hatten wir ein ganzes Gymnasium entworfen. Das war in Reutlingen, das weiß ich noch.

Da haben wir einen Preis nach dem anderen gemacht. Aber wir konnten nicht genannt werden. Und warum nicht? Weil ich ja noch keine zwei Jahre Praxis hatte. Um sich Architekt in Baden-Württemberg zu nennen, muss man Praxis haben. Da habe ich festgestellt, dass es in Nordrhein-Westfalen das Architektengesetz noch nicht gibt. Dann haben wir in Nordrhein-Westfalen geheiratet. Meine frühere Frau war aus Düsseldorf. Wir haben einen Hauptwohnsitz angemeldet und am Polterabend habe ich zu einem Freund gesagt: ‚Hör mal, hol mir mal so eine große Rolle, da gibt es einen Wettbewerb für ein großes Gymnasium. Da möchte ich mitmachen. Ich komme heute nicht weg.‘ So ist die Geschichte. Da hat er mir die gebracht. Und da haben wir eigentlich den ersten Preis gemacht. Aber da war so ein Haken dran. Die haben aber gesagt, wir kriegen trotzdem den Auftrag. Wir haben dann damals 1962 einen Auftrag für 12,5 Millionen gekriegt. Das wären heute 25 Millionen. Ich hatte noch nie eine Garage gebaut.

Ich war dann auch so überzeugt durch das Studium, weil ich ein Diplom hatte. Dann fragten sie mich: ‚Hören Sie mal, trauen Sie sich das denn zu?‘ Das war auch eine Schule, die hat heute noch eine sehr große Bedeutung. Dann habe ich mir praktisch auf die Schulter geklopft: ‚Wenn ich sie nicht baue, wer kann sie dann überhaupt bauen?‘ Und das war’s. Das ist das Rheinland. In Württemberg wäre das nie passiert.“

… Planen und Bauen in der Praxis

„Bauen ist ein ständiger Prozess. Also, wenn es darum geht, wer macht welches Bauwerk? Und wie führt es ein Architekt zu Ende? Wir haben alles gemacht bis zur Bauleitung. Manchmal mussten wir einen fremden Bauleiter dazu holen, das ist klar. Manchmal gab es einen Kompromiss mit einem. Aber im Prinzip ist es so: Sie planen das, aber Sie können nicht alles zu Ende planen. Manchmal ergibt sich eine kleine Änderung. Das passt keinem Bauherren. Aber es hat oft sehr große Vorteile, wenn man vor Ort ist und kleine Korrekturen vornehmen kann. Wir haben dann die Gesamtplanung gemacht und das hat sich auch als richtig herausgestellt.

Über 40 Leute hatten wir dann. Und ja, es strengt dann auch sehr an. Ich meine, es dürfen dann auch keine Fehler unterlaufen. Das hat mir auch Spaß gemacht. Aber irgendwann muss man auch sehen, dass es ein Ende hat. Verstehen Sie? Man muss auch die andere Generation kommen lassen. Die haben manche andere Vorstellungen. Aber manche Bedürfnisse, wie nach Geborgenheit und nach Wohlbefinden, bleiben beim Menschen bestehen. Und viele Architekten überwinden das und meinen: Es ist schnieke, geradlinig, funktionell.

Was heißt denn Funktionsbau? Es gibt keinen Bau, der nicht funktioniert. Funktionieren muss der Mensch drinnen können. Und wenn es ein Funktionsbau ist, dann hat er nur dem Menschen zu dienen. Und ob das eine Sportanlage ist oder nicht, dann muss es so gemacht werden, dass der Mensch sich wohlfühlt, dass er auch wiederkommt. Dass er das empfindet, was für ihn das Leben lebenswert macht. Und das scheint mir bei manchen Gebäuden nicht zu sein. Und deswegen glaube ich auch, dass gute Architektur da eine unheimliche Aufgabe hat, wenn man die schafft.“

… Kooperationen zwischen Münster und Havanna

„Da war ein Innovationszentrum in Gladbeck. Da hatten wir schon was gebaut. Da waren sehr viele bekannte Architekten eingeladen. Und ich kam gerade zurück aus Nepal, und da haben die tolle Bauten gemacht. Da habe ich gesagt: ‚Hören Sie mal, es ist doch völlig wurscht, ob sie runde Stützen oder eckige Stützen haben.‘ – Was mir eigentlich nicht wurscht ist. Aber hier habe ich es mal gesagt. ‚Wichtig ist doch, dass wir die Energie nutzen im Ruhrgebiet, die Solarenergie nutzen. Das ist doch der Fortschritt. Da müssen wir was tun.‘ Und das war eigentlich ein ganz guter Ansatz.

Und dann habe ich aufgrund dieses Vortrags und dieser Verbindungen eine Einladung gekriegt. Die war vom Architekten- und Künstlerclub in Havanna. Ich soll einen Vortrag halten, und zwar einen Werkbericht. Und wenn Sie einen Werkbericht hatten, dann ist es so. Dann nehmen Sie alle Ihre Arbeiten und zeigen die. Und was kommt dabei raus: Seht ihr, eigentlich gibt es keinen besseren, als mich selber.

Und das habe ich nicht gemacht. Ich habe gesagt: ‚Ihr habt doch ein anderes Problem. Ihr habt so unberührte Natur, zum Teil noch. Wollt ihr solche Hochhäuser haben wie in Miami? Ihr müsst was tun. Ihr müsst das bewahren.‘ Der Vortrag war auf eine Stunde angesetzt und der dauerte dann zweieinhalb Stunden mit Diskussion und einem Übersetzer. Ein bisschen Spanisch kann ich auch noch.

Dann war auch der Direktor von der Uni da. Mit dem habe ich mich dann verstanden. Ich habe dann gesagt: ‚Wir können doch vielleicht eine Zusammenarbeit machen.‘ Und dann habe ich dafür gesorgt, und das war für die natürlich toll, dass die nach Münster kamen und es gut bezahlt kriegten. Der hat sich sogar die Stelle geteilt mit einer Professorin. Dadurch entstand eine Zusammenarbeit, die ich wirklich ins Leben gerufen hatte. Die besteht noch heute. Kürzlich war ich noch in Münster. Das wussten die zum Teil noch. Eine Sekretärin sagte: ‚Ja, das haben Sie ins Leben gerufen.‘ So kam Havanna zustande. Und dann bin ich natürlich herumgereist in Havanna und habe mir das angeguckt. Und dann habe ich auch gesagt, dass Studenten aus Münster dorthin gehen sollen. Die habe ich dann auch besucht und das ist eigentlich ein reger Austausch gewesen. Der wollte nochmal, dass ich komme. Einen Vortrag würde ich noch halten, aber eine längere Gastprofessur mache ich nicht mehr.“

… Handlungsbedarf im Bauen und der Architektur

„So wie wir jetzt bauen, können wir nicht mehr weiterfahren. Klingt jetzt blöde, aber wir sind ja nur Gast auf diesem Erdball. Und wir können nicht so tun, als könnten wir heute alles verbrauchen und die übernächste Generation hat nichts mehr. Wir müssen Materialien wiederverwenden, und das, was ich in anderen Gesprächen schon mal angedeutet hatte, dass wir alle Materialien lagern müssen. Es wird so kommen, dass wir einen völlig neuen Denkansatz haben, auch in der Architektur. Es ist schön, wenn man ein paar Bauten hat, also Bauwerke, die Beständigkeit ausdrücken. Aber alles andere muss so sein, dass man das auseinandernehmen und wieder zusammenbauen kann. Man muss Lager für Schrauben haben, dass wir das überhaupt ganz anders angehen. Eine Bauaufgabe ist nicht endgültig. Die nächste Generation hat unter Umständen andere Aufgaben. Was bleibt, ist das menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit. Das können wir aber nicht schaffen, indem wir unsere ganze Erde ausrauben.

Bei Bedburg in Bergheim wird ein neues technisches Zentrum gebaut, in Alzey auch. Die ganze Erde wird kaputt gemacht, es wird alles kaputt gemacht und die alten Bauten werden abgerissen bzw. verrotten. Wir müssen einen anderen Ansatz finden.

Zum Beispiel, wenn ich einen Staubsauger oder das Licht nehme. Philips hat ja früher Lampen hergestellt mit Glühlampen. Die Glühlampen, die hatten einen Draht. Da gibt es einen, der brennt heute noch. Das heißt, die Elektrofirma, die ist interessiert, neu zu verkaufen. Also muss es einen begrenzten Wert haben. Das heißt, wir müssen nicht sagen, dass wir Licht haben wollen. Und es ist nicht unsere Sache, die Geräte dafür herzustellen, sondern die müssen sehen, dass sie uns Licht liefern.

Als Beispiel der Staubsauger. Wenn Sie einen Staubsauger kaufen, dann kaufen Sie das Material und die Funktion. Wenn die Funktion nicht mehr geht, dann geben Sie den Staubsauger zurück. Aber da ist ja auch Material. Das kostet ja was. Ich habe es noch nicht zu Ende gedacht. Aber ich gebe es euch zurück und ihr müsst das so bauen, dass man es wiederverwenden kann. Und das ist tatsächlich im Bauen überhaupt nicht der Fall.“

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Hier findet sich das vollständige Interview im PDF-Format: