Detlef Englich
Detlef Englich
*1946
Dreifacher Polizei-Europameister im Ringen und Vorsitzender des KSV Witten 07
Auch wenn seine Mutter dem Ringen gegenüber vorerst skeptisch war – Heute ist Detlef Englichs Lebenswerk eng mit dessen Förderung verknüpft. Sein Werdegang spricht für sich: Mehrfacher bundesdeutscher Mannschaftsmeister, Polizei-Europameister sowie die langjährige Rolle als Geschäftsführer des KSV Witten 07.
Kurzbiografie
- Geboren 1948 in Witten
- Dozent an der Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung (HSPV)
- 1962-1979 Aktives Ringen für den KSV Witten 07
- 1972-2012 Geschäftsführer und 1. Vorsitzender des KSV Witten
- 1970, 1971, 1974, 1979 Bundesdeutscher Mannschaftsmeister
- 1976 Erster Sieg bei einer Polizei-EM
- 1996-2004 Jugendreferent des Ringerverband NRW
- 2004-2008 Vizepräsident des Deutschen Ringer-Bundes
Detlef Englich über …
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… seinen ersten Trainer Karl Brockhoff
„1962 bin ich zum KSV Witten gekommen. Ich war 14. Ich hatte zu der Zeit Konfirmandenunterricht, und der war ausgerechnet an den Tagen, an denen Training war. Das heißt, ich wäre schon früher hingegangen, konnte aber nicht, weil Konfirmationsunterricht stand für meine Mutter ganz oben an. Da gab es auch keine Diskussion. Habe ich gemacht, bin dann, wenn Ferien waren, ins Training gegangen, aber außerhalb der Ferien war ich wieder dann in der Kirche beim Pastor. Aber dann, als ich 14 und konfirmiert war, da war dann kein Hindernis mehr fürs Training. Und dann habe ich das intensiv da besucht.
Mein erster Trainer Karl Brockhoff, das war ein glühender Kommunist. Er hat uns immer versucht zu motivieren und hat das auch, dass wir zur Jugendspartakiade nach Leipzig fahren könnten, wenn wir gut wären. Und der war ein hervorragender Pädagoge, auch jetzt fachlich ringkampftechnisch. Aber der kriegte mit, dass meine Mutter nicht so wirklich einverstanden war mit meinem Sport und hat meine Mutter besucht.
Karl Brockhoff hat dann meine Mutter besucht und der Mann hat ihr so imponiert. Das sie sagte: ‚Alles gut, alles okay.‘ Und ja, da war das Eis gebrochen. Und dann in der Folgezeit, dann kamen auch meine Erfolge.
Karl Brockhoff war schon ganz ein ganz besonderer Mensch, muss man sagen. Das war der, der im Prinzip den KSV nach dem Krieg aufgebaut hat. Er war Kommunist. Wie gesagt, Karl Brockhoff war mein erster Trainer. Ein Mann, der den Krieg hinter sich hatte, der im Krieg unter einem Pferd begraben war, mehrere Tage. Er hatte ein Schienbein, das war verformt, das war die Verletzung aus dem Krieg. Gleichwohl war es ein Mann, der in der Sporthalle stand, uns angeleitet hat. Ein hervorragender Pädagoge, auch streng, wenn es nicht so gelaufen ist, wie er es sich vorgestellt hatte. Wenn wir Unsinn gemacht haben: ‚Du gehst jetzt raus und braust drei Wochen nicht mehr kommen!‘ Und beim nächsten Mal waren wir wieder da. ‚Darf ich wieder mitmachen?‘ ‚Verhältst du dich jetzt vernünftig?‘ ‚Jawohl!‘ ‚Okay, mach wieder mit.‘ Und Karl Brockhoff war es auch, der meine Mutter überzeugt hat. Der hat sie zu Hause besucht und hat ihr erklärt, was der Ringkampfsport ist, was er leistet, was er macht, welchen pädagogischen Hintergrund er hat. Und das hat meiner Mutter dann so imponiert, dass sie dann keine Einwendungen mehr hatte. Karl Brockhoff war es dann auch, der vor mir dann andere junge Männer schon in die deutsche Spitze geleitet hatte. Klaus Rost, einer davon, der später eine Olympia-Medaille gewonnen hat. Andere, die in der deutschen Spitze zu der Zeit waren mit diesen jungen Leuten er dann die Mannschaft des KSV aufgebaut hat, die dann in die Oberliga einzog, damals die höchste Klasse im Mannschaftsringen und die dann auch später in die Bundesliga kamen. Und von daher also eine Persönlichkeit, die den KSV geprägt hat und wesentlichen Anteil daran hatte, dass der KSV zu dem wurde, was er war und was er immer noch ist.“ -
… das Ruhrgebiet als Zentrum des Kraftsportes
„Um die Jahrhundertwende 19. bis 20. Jahrhunderts war Ringen war Kraftsport Trendsport. Das heißt, die Menschen, die hart gearbeitet haben, haben versucht, außerhalb ihrer Arbeit, sich sportlich zu betätigen, ihren Körper zu stählen. Körper war dort ja wertvoll für die Arbeit, aber man wollte sich auch körperlich zeigen können. Und das wurde in unserem Buch ‚100 Jahre KSV‘ ja auch sehr deutlich gemacht. Wenn man sieht, wann die Ringervereine gegründet wurden KSV Witten 1907, AC Hörde 1904, Heros Dortmund 1894. Die anderen alle in den Zehner-, 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Da gab es die Zechen, und überall dort war halt Kraftsport beheimatet. Dortmund alleine, die hatten zehn, zwölf Ringerclubs in den Vororten. Und das war natürlich gut in der Folgezeit. Da konnten sich die starken Vereine immer bedienen mit guten Ringern. Der erste deutsche Meister des KSV Witten, der habe ich gehört, habe ich nicht selbst erlebt, der ist dann auch von Heros Dortmund angesprochen worden und nach Dortmund gegangen und hat dort in der Meistermannschaft mitgekämpft. Heros war zehn Mal Deutscher Meister. Das war zu meiner Jugendzeit, als ich so in die Bundesliga reinwuchs, noch ein ernst zu nehmender Konkurrent, mit dem wir uns auseinandergesetzt haben. Heute ist es ein kleiner Verein, der in dem Dortmunder Zentrum beheimatet ist. Also leider Gottes doch ziemlich massiv abgerutscht. Damals waren das große Namen. Und genau so konnte sich der KSV Witten damals eben auch in der Umgebung umschauen, um starke nationale Sportler an sich zu binden. Da war aus Hörde kam Fritz Schrader, aus Dortmund Heros kam Willi Wagner, aus Essen kam Heinz Sperling, aus Oberhausen kam Heinz Eichelbaum. Dann aus dem eigenen Nachwuchs, eben mit jungen Leuten, die aus Witten waren, Günter Kowalewski kam aus Dortmund-Marten auch ein Standort für Ringen. Die kamen also alle aus einem Umkreis von 20, 30, 40 Kilometern. Und da hatte man eine Meistermannschaft, ergänzt mit diesen türkischen Sportlern. Da war das damals die Top Gruppe des deutschen Ringkampfsports.“
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… seinen Unfall bei der Bundesdeutschen Meisterschaft in Freiburg 1970
„Ich hatte da in den Jahren noch mal wirklich einen Cut, der meine sportliche Laufbahn fast beendet hätte, auch meine berufliche Laufbahn, vielleicht auch mein Leben. 1970 war es. Ich war 22 Jahre alt, da habe ich an der Deutschen Meisterschaft teilgenommen, in Freiburg, bei den Männern. Es war so eine meiner ersten Männer-Meisterschaften, und ich bin da bombig ins Turnier gestartet. Habe den deutschen Meister, den Titelverteidiger des Vorjahres mit zehn Punkten Unterschied besiegt, habe den nächsten Kampf gewonnen. Und dann, in einem Kampf, wo ich eigentlich auch schon wieder auf der Siegerstraße war, habe ich eine unglückliche Aktion gestartet und habe mir dabei den Hals gebrochen. Das heißt, den Nackenwirbel abgedreht, was zur Folge hatte, dass ich vom Hals abwärts gelähmt war.
Gelähmt war, hieß: Ich habe meinen Körper nicht mehr gespürt. An die Situation kann ich mich in der Sporthalle in Freiburg noch gut erinnern. Ich hörte ein Schreien. Ein Schreien, was irgendwie so unwirklich war. Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass ich das war. Ich habe geschrien, weil ich meinen Körper nicht mehr gespürt habe. Und ja, dann war es ein Glück, ein Vorteil, dass das in Freiburg war. Man hat mich gleich richtig verladen durch die Sanitäter, hat mich in die Uniklinik in Freiburg gebracht, und dort hat man dann gleich das Richtige erkannt. Hat richtig therapiert. Ja, und nach zwölf Wochen war ich wieder zu Hause, konnte mich wieder bewegen. Und eigentlich war für alle klar: Dass ich mit Ringen fertig bin.
Damals hat ja Friedhelm Ottlinger mir noch ein Blumengebinde geschickt: Mit besten Grüßen der Stadt Witten. Und der Freiburger Bürgermeister hat mich besucht. Es stand groß in Freiburg in der Zeitung. Es kamen regelmäßig Sportsfreunde aus Freiburg, ich lag ja im Bett und konnte mich nicht bewegen. Und dann hat man aber ganz langsam das hingekriegt, dass das Gefühl in den Körper zurückkam. Und nach zwölf Wochen hatte ich das wieder. Man hat mir da einen Bügel angelegt, Löcher in den Kopf gebohrt, damit befestigt, unten Gewicht angebracht, das den Wirbel auseinandergezogen hat. Und es hat geklappt.
Nach dieser Verletzung war eigentlich für alle klar – insbesondere meine Mutter wieder, die dominant war in der Familie, lieb dominant, muss ich sagen, die konnte sich nicht vorstellen, und andere auch nicht, dass ich jemals wieder Sport betreibe. Ringkampfsport oder Kampfsport überhaupt. Ja, dann hatte ich in der Zwischenzeit meine Frau kennengelernt. Und ja, um was zu machen, habe ich meiner Mutter erzählt: ‚Das ist was ganz anderes, da kann nichts passieren.‘ Habe ich Judo angefangen.“ -
… Tätigketen als Geschäftsführer ab den 1970er-Jahren
„Der Ringkampfsport ist Anfang der 70er-Jahre professioneller geworden, ohne Zweifel. Ich habe gerade erzählt, dass die Ringer die erste Deutsche Meisterschaft für den KSV gewonnen haben, 1970 aus der Region kamen. Die kamen aus Essen, Dortmund, Duisburg oder Oberhausen. Und verstärkt durch die türkischen Ringer war das eine Topmannschaft. In der Folgezeit war es nicht mehr so möglich, aus der Umgebung top Ringer zu holen. Der KSV hatte sich leistungsmäßig zu weit nach oben gebeamt und die Region ging so langsam mit dem Bergbau, dann auch kampfsportlich nach unten. Das führte dazu, dass wir dann auch die Reichweite etwas erweiterten, aus der wir unsere Sportler holten.
Nachdem ich den Unfall hatte und man eigentlich davon ausgehen musste, dass ich mich sportlich nicht mehr so engagieren konnte, bin ich Geschäftsführer des KSV geworden. Damals wurde Emil Olsberger jr. Vorsitzender des Vereins, der Sohn des Sponsors. Und der sprach mich an, ob ich die Geschäftsführung übernehmen würde, weil auch für ihn eigentlich absehbar war, dass ich sportlich dann nicht mehr einsteigen würde. Und dann war ich im Prinzip neben meiner sportlichen Laufbahn, Geschäftsführer. Durch den Beruf Kriminalbeamter hatte ich da auch meine Fähigkeiten und habe die eingebracht. Aber das hat mich in der sportlichen Entwicklung so im Nachhinein betrachtet, dann doch etwas eingegrenzt. Hätte ich meine Aktivitäten komplett auf den Ringkampfsport verlagert, dann hätte ich da vielleicht nicht nur 2. und 3. Plätze erreicht. Vielleicht auch mal die ersten. Aber es war alles gut, wie es war. Und dann habe ich gemeinsam mit Emil Olsberger die Konzepte entworfen, mit den Trainern auch. Ja, und dann ging unsere Reichweite bis Lübeck, wo wir dann den auswärtigen Sportler zu uns holten, bis Mainz, wo wir den Olympia-Dritten von 1978, Karl-Heinz Helbing zu uns holten, dann bis nach Bayern, Reichenhall, wo wir die Huber Brüder, Robert Geigel zu uns holen.
Und das waren dann auch weiterhin Spitzenmannschaften. Ähnliche Aktivitäten hatte dann aber auch die Konkurrenz drauf. Aus dem süddeutschen Bereich vorwiegend. Und dann war es über diese Jahre hinweg immer Konkurrenzkampf: Witten, Schifferstadt, Mainz später kam Ahlen da hinzu. Schorndorf war dabei. Da habe ich teilweise noch selbst gerungen, in dieser Zeit in den Finalkämpfen.
Und das war eine spannende Zeit. Da waren die Hallen voll. Wir hatten in Witten zu der Zeit zu den Endkämpfen in der Husemann-Halle, wo 1500 Zuschauer zugelassen sind, hatten wir bis zu 4000 Zuschauern. Damals hat das zuständige Sportamt die Augen dicht zugedrückt, dass das überhaupt möglich war. Wir haben Tribünen im Innenraum erstellt, um die Kapazitäten zu erhöhen. Es war eine Hölle. Das Publikum saß bis an die Matte heran, nach allen Seiten die Ränge nach oben, und es herrschte Riesenstimmung. Da waren also Schlachtgesänge: ‚Schrader lass die Löwen los!‘ An der Tagesordnung. Und das war natürlich dann auch Anlass für die Medien, dort präsent zu sein. Wir waren im Fernsehen regelmäßig, sowohl in der Sportschau als auch in den Regionalprogrammen, und da hat man diese Erfolge zur Kenntnis genommen, hat davon berichtet, auch Hintergrundberichte erstellt. Und dadurch war der KSV natürlich sehr präsent.“ -
… die Wittener Stadtschulmeisterschaften im Ringen
„Ich bin wieder ins Vorstandsamt gerutscht. Ich habe es übernommen in einer Phase, die ein bisschen wackelig war. Ich wollte nicht, dass der KSV abrutscht und habe mich wieder engagiert, nach einer zweijährigen Ämterpause. Ich habe das Ganze dann gleich wieder aufgegriffen. Ich erinnere mich, dass ich nach Malmö gefahren bin, mit dem Auto und dann Verstärkung für die Bundesliga-Mannschaft dort eingeworben habe. Einen Finnen habe ich da akquiriert, einen Schweden habe ich da akquiriert. Das war inzwischen dann so üblich. Einen Ungarn habe ich mitverpflichten können. Den haben wir dann in Budapest am Rande einer Meisterschaft verpflichtet. Also das ging da weiter, aber parallel dazu, und darauf will ich hinaus, haben wir seit den 90er-Jahren erkannt, dass wir im Nachwuchsbereich aktiver sein müssen. Es war damals bei uns ein Trainer aktiv im Nachwuchsbereich, der aus der DDR kam, aus dem Bereich Erfurt. Und der brachte die Idee einer Stadtschulmeisterschaft im Ringen mit. Und dann haben wir das in den Anfangsjahren, nachdem er zu uns kam, Anfang der 90er-Jahre, provisorisch in unserer Trainingshalle begonnen, mit 40, 50 Kindern aus Grundschulen ja, das haben wir dann weiterentwickelt.
Wir hatten zuletzt vor der Pandemie die 30. Wittener Grundschulmeisterschaft im Ringen und haben jährlich dort bis zu 400 Kinder auf die Matten gebracht. Wir haben in der Husemann-Halle sechs Ringermatten aufgebaut, wo parallel dann die Meisterschaften für Jungen und Mädchen in zwei Altersklassen stattfanden, wo wir innerhalb von sechs bis sieben Stunden 400 Kinder durchgeschleust haben, die Wettkämpfe beendet haben, den Kindern gesunde Verpflegung vermittelt haben, die Kinder mit Sieger-Preisen und Ehrengaben und Geschenken versorgt haben, wo auch die Wittener Wirtschaft massiv mitgewirkt hat, damit wir das auch finanziell in dem Rahmen aufbauen können. Und das hat sich eigentlich bis zuletzt immer als total positiv erwiesen, wenn wir auch nicht immer unmittelbar aus diesem Bereich, dann die Kinder zu uns brachten. Es kamen immer wieder welche. Haben aber doch da so eine positive Öffentlichkeit gehabt, die das gesehen hat. Und auch die Schulen, ich glaube, wir haben 16 Wittener Grundschulen, 14, 15 haben regelmäßig teilgenommen, hatten dann auch den aus den Schulen das Feedback. Und wenn da mal jemand war, der sich für den Kampfsport interessierte, der wurde dann auch weitergeleitet. Und das war dann eigentlich das System der Nachwuchsförderung in diesen Jahren.“
Verpflichtung türkischer Olympiasieger nach 1962
Comeback nach einer Halswirbelverletzung
Internationalisierung und Professionalisierung des KSV Witten
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