Skip to main content

Autor: Niklas Hack

Ferdinand Kösters

Foto_2
Foto_3

Ferdinand Kösters

*1937
Referatsleiter der Abteilung Kultur und Sport im Bundesministerium des Innern

Vor seiner Tätigkeit im Bundesministerium arbeitete der talentierte Fußballer im Rahmen der Abwerbeabkommen in Spanien und Portugal. Echten „Kennern“ ist er als der Übersetzer von Pele im Sportstudio 1970 bekannt.

Kurzbiografie

  • Geboren 1937 in Bonn
  • Studium an der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung
  • 1955-1969 Div. Arbeitsämter und Deutsche Kommission in Spanien und Deutsche Verbindungsstelle in Portugal
  • 1962 Deutscher Vizemeister der Amateure mit Tura Bonn
  • 1969-2002 Bundesministerium des Innern
  • 1973-1982 und 1986-1992 Abteilung Sport und Kultur

Ferdinand Kösters über …

  • … Nachkriegszeit in Bonn und eine Torwarthose mit Geschichte

    „Wir haben mit der Kreisjugendauswahl im Oberbergischen Kreis gespielt. Da konnten wir uns zwar am Platz in einer Hütte Umkleiden, wir hatten aber kein Wasser. Und da floss ein Bach an dem Fußballplatz vorbei. Wir hatten im Matsch gespielt und haben uns dann alle im Bach gewaschen. Das waren damals die Verhältnisse, bis es dann so ab 1949/50 etwas besser wurde. Ich bin dann Torwart geworden und hatte natürlich keine Torwartkluft, eine Stepphose und Knieschoner hatte ich nicht. Da kam wie ein Geschenk des Himmels, ein Hausnachbar aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Der hatte so einen Steppanzug noch von der Gefangenschaft. Und die hatte er mir geschenkt. Was habe ich damit gemacht? Bei der Hose die Beine abgeschnitten und den Saum umgenäht – dann hatte ich meine Stepphose. Und von den Resten habe ich mir provisorisch Knieschoner gebastelt. Die brauchte man ja, weil wir auf Hartplätzen gespielt haben. Auf dem Rasenplatz braucht man ja keine Knieschoner. Und so hat sich das im Laufe der Zeit entwickelt, bis man 1949/50 in einigermaßen normale Verhältnisse kam.
    Wenn wir zu Auswärtsspielen fuhren, hatten wir viele Spiele im Vorgebirge, da hatten die Bauern ihre Plätze alle oben auf dem Berg. Wenn wir von Bonn aus mit dem Fahrrad fuhren und wir kamen auf den Berg, da waren wir schon halb tot. Wenn wir mit der Vorgebirgsbahn gefahren sind, mussten wir zu Fuß den Berg hochgehen. Wir haben da meistens immer verloren, weil wir keine Kraft mehr hatten. Das waren so die schönsten Jugenderlebnisse. Im Nachhinein muss man darüber schmunzeln, aber wir haben es eigentlich auch nicht als so bitter empfunden. Wir haben aus dem, was wir hatten, das Beste gemacht.“

  • … Bonner Fußball der 50er-Jahre

    „Zunächst einmal hatten wir in Bonn eigentlich neben der Tura, den Bonner Fußballverein und mit Beuel 06 und dem Godesberger Fußballverein vier Vereine, die in der oberen Klasse spielten, sodass es auch lokale Derbys gab. Die Tura Mannschaft spielte im Poststadion. Das existiert heute nicht mehr. Da gab es auch eine 400-Meter-Radrennbahn, wo ich sehr oft Steherrennen mit Walter Lohmann und Jean Schorn aus Köln gesehen habe. Trainiert haben wir aber auf dem Köln Platz. Das ist die Stelle, wo heute der Sportpark Nord steht. Das war ein Gelände mit drei Fußballplätzen nebeneinander. Wir hatten einen Jugendleiter, das war eigentlich so der Vater der Kriegswaisen. Der hat sich ungeheuer um die Jugend gekümmert. Wir haben auch Filmabende gemacht. Wir haben gemeinsam mit den Eltern Nikolaus und Weihnachtsfeiern gemacht und haben auch versucht, auswärtige Spiele zu machen. Da war also eine Betreuung, die den Kindern fehlte, deren Väter ja im Krieg gefallen waren. Und es war auch für uns immer sehr spannend. Im Winter konnten wir draußen nicht trainieren. Es gab keine Flutlichtanlagen, wir haben dann in der Turnhalle trainiert. Für mich war das immer ein Gräuel, ich habe das nie gerne gemacht. Aber wir blieben dadurch in Bewegung. Der Bonner Fußballverein war der, wir sagten immer der Akademiker- oder Studentenverein, wo sehr viele Studenten spielten. Für uns galten die immer als etwas abgehoben. Tura galt immer als Arbeiterverein. Der Bonner Norden war ja auch entsprechend geprägt, während der Bonner Süden die etwas gehobenere Schicht beheimatete. Dann gab es Beuel 06. Sie haben schon 1946 ein Jubiläumsturnier veranstaltet. Da haben die Bonner Vereine dann alle gespielt. Das Problem war: Es gab keine Rheinbrücke, da sind also alle Zuschauer immer mit dem Bötchen, also mit der Rheinfähre zu den Spielen in der Woche nach Beuel gepilgert. Aber es kamen 5000-6000 Zuschauer. Das war damals noch eine besondere Attraktion, dass man da die Spiele sehen konnte. Nach Bad Godesberg sind wir mit der damaligen Godesberger Bahn gefahren, die gibt es heute nicht mehr, da fährt heute die U16. Und wenn wir als Spieler, als Jugendmannschaften auswärts gespielt haben, dann bekamen wir immer einen Fahrschein von den Stadtwerken mit Ermäßigung. Dann brauchten wir nicht den normalen Fahrpreis bezahlen. Einen Autobus hatte der Verein nicht. Eigene Fahrzeuge hatte auch kaum jemand. Wenn, dann war mal einen Unternehmer da, der einen Lieferwagen hatte, dann sind wir mit dem Lieferwagen irgendwohin transportiert worden.“

  • … seine Arbeit in Portugal und Spanien im Rahmen der Anwerbeabkommen

    „Es gab zwei Typen von Anwerbern. Die Älteren waren noch vom Dritten Reich geprägt und jüngere wie ich, die waren von einer anderen Sorte. Ich habe Arbeitskräfte immer aufgeklärt. Ich habe mir eine Landkarte besorgt, habe denen gezeigt, wo Deutschland liegt, wie weit das von ihrer Heimat entfernt ist, wie das Leben in Deutschland ist, wie das Klima in Deutschland ist, wo die Städte sind, was in den einzelnen Städten los ist und habe also versucht, ihnen etwas über unser Land nahe zu bringen. Und wenn die dann in irgendeine Stadt wollten, dann habe ich ihnen auch etwas Näheres über diese Stadt beigebracht. Und natürlich auch über die Arbeitsbedingungen – das war klar. Aber ich habe mich bemüht, ihnen auch etwas über unser Land zu vermitteln, damit sie wussten, wo sie hinkommen. Denn die fuhren ja erst mal weg von der Familie, getrennt in ein Land, das sie überhaupt nicht kannten, tausende von Kilometern entfernt. Und weil ich selber im Ausland war, hatte ich ja gewusst, wie man sich dann fühlt. Und habe dann versucht, ihnen das klarzumachen, wie es in unserem Lande aussieht.“

  • … Aufbruchsstimmung im Sport der 70er-Jahre

    „Damals ist mir das gar nicht so bewusst geworden: Es fing dann eigentlich über die Olympischen Spiele an. Durch Eusebio hatte ich Kontakte zur Sportschuhfirma Puma. Mit der Familie haben wir uns auch richtig angefreundet. Und über diese Freundschaft wurde ich ja dann auch an Pele vermittelt, praktisch als Dolmetscher. Der war auch dann bei Puma unter Vertrag. Dadurch kriegte ich auch einen Zugang zu den Olympischen Spielen. Ich merkte das dadurch, dass die mich immer zur Sportartikelmesse eingeladen haben. Hier in Köln war noch die ISPO und da lernte man ja auch Spitzensportler kennen. Und dann ging der Fokus auf die Olympischen Spiele in München. Das war ja damals noch was ganz Besonderes. Da waren ja alle begeistert, dass Olympische Spiele in Deutschland stattfinden und so weiter. Und die Begeisterung, die übertrug sich ja eigentlich auch auf alle. Und einige der Sportler da, die habe ich dann auch im Nachhinein noch auf der Sportartikelmesse kennengelernt. Oder wenn ich mal bei Puma war, dann liefen die einem da auch über den Weg.

    Das war so eine Aufbruchsstimmung, die ich im Innenministerium bemerkte. Genscher war damals Innenminister und der wollte den Sport nach vorne bringen, auch im Blick auf die DDR. Und der Genscher hat dann so einige Meilensteine gesetzt. Dazu gehört unter anderem die Gründung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Dass es heute in der Form gar nicht mehr gibt, die sitzen ja jetzt auch in Bonn im Innenministerium. Und auch die sogenannte Deutsche Sportkonferenz. Das sollte ein Gebilde sein, wo sich Sportteile sowohl vom Bund, von den Ländern und so weiter zu jährlichen Konferenzen treffen.

    Man war also im Begriff, den Spitzensport aufzubauen. Man erhöhte auch die Mittel und kleine Anekdote am Rande: Der Titel hieß damals immer ‚Förderung des Sports und der Leibesübungen‘. Und da habe ich mir gedacht, also Leibesübungen, das hört sich so nach ‚Turnvater Jahn‘ an. Und da habe ich also durchgesetzt, dass dieser Titel künftig nur noch ‚Förderung des Sports‘ hieß. Und der wurde also regelmäßig aufgestockt. Und man war bemüht, das Ganze irgendwie voranzubringen. Man hatte das Bundesinstitut gegründet. Wir fingen dann in unserem Referat damit an, in den verschiedenen Städten ein Netz von sportmedizinischen Untersuchungsstellen aufzubauen. Wo also Sportmediziner die Spitzensportler betreuen sollten und die dann vom Bund gefördert wurden. Man hat auch die Leistungszentren eingerichtet. Es schwebte uns vor, so wie in der DDR gewisse Sportzentren zu gründen. Das funktionierte bei uns aber nicht. In der DDR hat man die kaserniert. In Internaten hat man das bei uns auch versucht, man hat die Leistungszentren ja auch mit Internatsgebäuden gebaut. Das funktionierte aber nicht, weil die Leute wollten nicht aus ihrer gewohnten Umgebung raus. Und dann hat man schwerpunktmäßig Sportmediziner in Köln, Hollmann oder Keul und Klümper in Freiburg gefördert. Und erreichte aber dadurch, dass die Sportler immer wieder nur zu diesen Ärzten fahren wollten. Und dann kamen natürlich Dopinggerüchte auf, die wir nie verifizieren konnten und weil das Ganze dann doch nicht den erhofften Erfolg brachte, kam man dann auf die Idee, die sogenannten Olympiastützpunkte einzurichten. Das war wieder ein besonderes Kapitel, aber das war dann später.“

  • … Reise mit dem Sportausschuss in die ehemalige DDR

    „So richtige Vorbereitungen gab es von unserer Seite aus nicht. Wir haben mehr oder weniger abgewartet und geschaut, wie sich das Ganze entwickelt. Und dann kam ja die Vereinigung. Und dann haben wir gesagt: ‚So, jetzt müssen wir uns mal umsehen, wie das da drüben aussieht!‘ Bis dahin hatte man ja keinerlei Zugang zu den Sportstätten gehabt. Wir wussten ja nicht, wie es da aussieht. Und dann haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet. Da war ich vom Innenministerium, dann der Professor Andresen, der war damals BHL Chef, Ebeling war für die Verbände, und Lörk hieß der glaube ich, der war für die Wissenschaft zuständig. Wir haben uns dann verabredet. Ich bin aus Bonn und die aus Frankfurt gekommen. Ich habe dann vorsorglich meine Kamera mitgenommen, um den Mitarbeitern zu zeigen, wie es da aussieht. Denn wie ich vom DSB-Präsidenten Manfred von Richthofen wusste, der hatte schon mal Sportstätten besuchen können, und er hatte also geschildert, dass die alle abrissreif seien. Ich wollte das dann dokumentieren. Wir sind dann dahingefahren und haben die einzelnen Sportstätten gesehen. Und es war tatsächlich teilweise abrissreif. Da fiel der Putz von den Wänden. Wir haben aber trotzdem festgestellt, dass die ganz raffinierte Sachen gemacht hatten.
    Wir konnten im Winter nicht trainieren, wenn draußen Schnee lag. Da hatten die Folgendes gemacht: Die hatten eine große Halle mit einer riesigen Öffnung und einer Anlaufbahn. Und dann sind die da in der Halle mit dem Speer gelaufen, bis zum Rand der Halle und haben dann den Speer rausgeschmissen. Das Gleiche haben die mit Kugelstoßen gemacht. Die hatten also Wurfhallen, die bedeckt waren und nur die Geräte, die flogen ins Ungewisse – das war ja egal. Und so haben die das gemacht. Dann mussten sie Laufhallen haben. Da gab es damals in der DDR vorgefertigte Teile für Kuhställe. Die waren 15 Meter lang. Und die hat man genommen und hat die aneinandergesetzt. Und dann hatte man einen überdachten Laufschlauch. Da hat man eine Kunststoffbahn reingelegt, dann konnte man da 100 Meter hin und her laufen. Man hat dann später einen zweiten Laufschlauch danebengesetzt, eine Kurve wie bei so einer Radrennbahn ausgebaut und dann konnten die im Kreis laufen.

    Das waren für uns alles böhmische Dörfer. Beim Schwimmen hatten sie diese Gegenstromgeräte. Da mussten die gegen den Strom anschwimmen. Das hatten die alles. In Chemnitz hatten sie im Winter eine Schwimmhalle. Im Sommer konnten sie die ganze Halle wegziehen, dann hatten sie ein Freibad. So haben die gearbeitet, sowas war für uns völlig neu. Dann hatten die in Erfurt eine Eislaufbahn und daneben diese Kühlreaktoren. Da ist mir angst und bange geworden. Die standen da so frei in der Luft. Ich dachte nur: Wenn da mal so ein Ding explodiert.

    Das waren dann auch die Sachen, die er als Erstes renoviert wurden. Da wurde ja eine riesige Summe Geld in die Renovierung der Sportanlagen investiert. Sodass damals der Engelbert Nelle, das war der CDU-Obmann gesagt hat: ‚Wir müssen Acht geben, dass wir nicht das ganze Geld in den Osten stecken, sonst haben wir in zehn Jahren mit unseren Sporthallen die gleichen Zustände. Also, dass man das ausgewogen macht. Aber man war damals sehr blind. Auf der anderen Seite hatte man von der DDR gar keine Ahnung. Ich kriegte dann den Auftrag, für den Sportausschuss einer Reise vorzubereiten, in allen fünf Bundesländern die Sportzentren zu besuchen.“

  • … Ausblick auf den Bonner Sport

    „Ich glaube, wir haben in Nordrhein-Westfalen sieben oder acht Bundesligavereine. Was den Bonner Sport betrifft: Der ist immer sehr stiefmütterlich behandelt worden. Und eigenartigerweise gibt es in Bonn kein entsprechendes Sponsoring. Es war immer das Problem in Bonn, das niemand da war, der mal gesagt hat: ‚Ich nehme jetzt mal Geld in die Hand und mache etwas für den Sport.‘ Die Telekom hatte diese Radmannschaft, die hat die aufgegeben. Jetzt haben sie die Basketballer aufgegeben. Sie stocken aber bei Bayern München den Etat auf 50 Millionen im Jahr auf – als Bonner Firma. Wir sagen, warum können die nicht mal in Bonn was für den Sport tun? Das ist das große Manko im Bonner Sport, da gibt es keine Sponsoren. Darunter leidet auch der Bonner SC, der sich in der Regionalliga bemüht, um nicht abzusteigen. Jetzt haben Sie mal die letzten zwei, drei Spiele gewonnenen und stehen über dem Strich. Aber vom Etat her sind die nicht regionalligatauglich, die haben kein Geld, das ist das Problem. Heute geht es leider nur ums Geld. Das fängt ja schon in der Kreisliga an, das wissen wir alle. Und ohne Geld gibt es keine sportlichen Erfolge. Otto Rehhagel hat mal gesagt Geld schießt keine Tore, aber mittlerweile weiß man, dass Geld doch Tore schießt.“

Sport und Sportveranstaltungen in der Nachkriegszeit

Berufsweg nach Spanien und Portugal

Arbeit im BMI: Abteilung Sport und Kultur

Begegnung mit Pele

Exponat: Eusebios Trikot


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format:

Weiterlesen

Karl Matelski

Foto_1
DSCF1786

Karl Matelski

*1937
Mehrfacher Deutscher Meister im Feldhandball mit dem TuS Lintfort

Karl Matelski ist einer von vier Zeitzeugen der Lintforter Meistermannschaften der Jahre 1959 und 1961. Zwischen 1947 und 1966 zählte der TuS Lintfort als einziger Verein durchgängig zur erstklassigen Oberliga Niederrhein, die er insgesamt 9-mal gewann.

Kurzbiografie

  • Geboren 1937 in Lintfort
  • 1959 und 1961 Deutscher Meister mit dem TuS Lintfort
  • 1963 Länderspieldebut gegen Österreich (23:17)

Karl Matelski über …

  • … den Weg zur ersten Bundesdeutschen Meisterschaft 1959

    „Wie ich 18 wurde, kam ich in die erste Mannschaft. Ich war immer Deckungsspieler, so nannte sich das. Ich bin auch immer mit nach vorne gegangen. Das war ja noch auf dem Großfeld so, dass alle Mann decken, alle Mann stürmen. Dann bin ich auch immer mit nach vorne gegangen und habe auch meine Tore geworfen. Und als ich 18, 19, 20 war, haben wir noch weiter gespielt und dann spielte ich in der ersten Mannschaft.
    Und wir hatten 1957 in der Niederrhein Meisterschaft gespielt. Und da sind wir immer weitergekommen. Die ersten vier von der Niederrhein Meisterschaft gingen dann zur Westdeutschen Meisterschaft und dann die ersten vier mit zur Deutschen Meisterschaft. Und das war auch dann immer mit Hin- und Rückspiel. Bis wir dann 1959, ich war 23, das erste Mal zum Endspiel gekommen sind. Da haben wir um die Westdeutsche Meisterschaft gegen Leverkusen gespielt. Und da haben wir verloren. Dadurch mussten wir auswärts Spielen und haben das erste Spiel in Berlin gespielt. Da haben wir gewonnen. Die nächste Runde mussten wir Harleshausen spielen. Da haben wir auch gewonnen. Aber weil Leverkusen auch immer weiter gekommen ist, spielten wir dann wieder gegen Leverkusen im Endspiel. Das war dann im Duisburger Stadion. Da haben wir gegen Leverkusen gespielt und haben gewonnen. Da haben die nicht mitgerechnet. Die haben Bomben-Spieler gehabt. Der Robert Will von Leverkusen, den mussten wir packen. Und den haben wir so gedeckt und dann haben wir gewonnen. Es gab einen großen Empfang in Lintfort, mit Bürgermeister und Rathaus. Und dann ging das weiter.“

  • … finanzielle Förderung und Verbindung zur Zeche

    „Wir hatten unser Vereinslokal und da sind wir immer mit der Mannschaft hingegangen. Das ist so eine Tradition gewesen. Wir sind dann auch immer, wenn wir Training hatten, danach zum Vereinslokal gegangen.
    Die Reisen mit der Mannschaft und den Frauen sind auch ganz toll gewesen. Wir sind ja paar Mal weggewesen. Sizilien, Jugoslawien, in Spanien. Die Busfahrten und so was alles, das hat der Verein bezahlt.
    Wir hatten zu der Zeit für ein Meisterschaftsspiel 10 DM gekriegt. Und nachher haben wir für eine Westdeutsche 20 DM gekriegt und für Endspiel, das weiß ich noch, haben wir 50 DM gekriegt.
    Der Verein hat ja vom Stadion Geld gekriegt. Dann hat der Verein die Fahrt bezahlt.
    Von der Zeche gab es finanziell gar nichts. Es gab wohl ein paar Geschäftsleute, die da etwas zu beigetragen haben. Trotzdem gab es sechs oder sieben, die waren unter Tage gewesen. Es gab auch welche die Elektriker da waren. Ich war ja auch unter Tage gewesen, mit drei Mitspielern, die auch da gearbeitet haben. Wir haben immer Frühschicht gehabt. Wir haben immer einen prima Job gehabt. Der Hans Jannikulla, der von Oppeln kam, der war auch Elektriker. Zu der Zeit wurden ja noch die Strebe gemacht, wo die Kohle rauskam. Und die haben die fertiggemacht und die Elektrik da drangemacht. Die anderen Spieler waren hier in Lintfort verteilt. Wir sind also ein bisschen gefördert worden, damit wir abends trainieren konnten.“

  • … die Festlichkeiten nach den Endspielen 1960 und 1961

    „Die beiden Endspiele 1960 und 1961 habe ich erlebt und gespielt. Aber 1960 haben wir verloren gegen Ansbach. Und dann sind wir 1961 wieder gegen Ansbach angetreten und da haben wir dann gewonnen und das war dann ein Erfolg. Die Endspiele waren in Oberhausen, da waren auch 30.000 Zuschauer und das andere war in Duisburg.
    Die Stimmung war toll, wir wurden richtig angefeuert.
    1960 waren wir an und für sich etwas enttäuscht. Da war auch nicht so ein Empfang wie 1961. Da war ja ganz Lintfort da gewesen. Wir haben oben gestanden, der Bürgermeister hat gesprochen und anschließend haben wir gefeiert. Wir hatten damals einen Empfang gehabt am Rathaus und sie dann in PKWs durch die ganze Stadt gefahren. Und die Leute standen da alle und haben uns zugewunken. Das war schön gewesen.
    Wir waren richtig bekannt in Lintfort, das ist heute noch so. Wenn ich mit dem Fahrrad über die Hauptstraße hier in Lintfort fahre, dann brauche ich den Arm gar nicht mehr runternehmen. Muss immer grüßen, man kennt jeden.“

Bundesdeutsche Meisterschaft 1959

Polnische Nationalspieler in Lintfort

Spielerberufe

Publikumszuspruch

Exponat: Foto der Meistermannschaft 1961


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format:

Weiterlesen

Rolf Milser

Foto_2

Rolf Milser

*1951
Weltrekordler und Olympiasieger im Gewichtheben

Während seiner aktiven Karriere kam Rolf Milser auf 115 deutsche Rekorde, zwei Weltrekorde und eine olympische Gold-Medaille. Nach dem Karriereende betreute der Duisburger die Auswahl des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber und eröffnete ein Hotel.

Kurzbiografie

  •  Geboren 1951 in Bernburg/Saale
  • Ausbildung zum Schlosser
  • 1964 Anfänge im Gewichtheben bei der Hochfelder Athleten Gesellschaft- Duisburg
  • 1975 und 1984 Silbernes Lorbeerblatt
  • 1976 erster Weltmeistertitel und Weltrekord im Stoßen
  • 1984 Olympiasieger im Schwergewicht (bis 100 Kg)
  • 1985-1997 Bundestrainer des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber e. V. im Junioren- und später Seniorenbereich
  • 1997 Eröffnung des Hotel Landhaus Milser

Rolf Milser über …

  • … die Anfänge mit Besenstil

    „Ich bin zur AG Hochfeld, Hochfelder Athleten Gesellschaft, so hieß das früher. Da habe ich erst gerungen. Aber diese Schlepperei mit den Matten und so, das war nicht so meins. Dann habe ich später Gewichtheben gemacht und bin dann dabeigeblieben. Die sahen auch, dass ich ein bisschen talentiert war und haben mich auch gefördert. Ein bisschen später war ich schon ein deutscher Jugend-Vizemeister in Hostenbach, das werde ich nie vergessen. Anschließend bin ich dann Junior gewesen, dann habe ich alles gewonnen, was man gewinnen kann.
    Anfangs trainierte ich zwei-, drei Mal in der Woche. Erst in der Hocke sitzen, dann mit einem Besenstil. Und dann ging das los. Mit dem Besenstil, das war ja ein bisschen lächerlich.

    Sport war immer meine beste Note auf dem Zeugnis. Und dann kam die Stange mit zehn Kilo. Dann kamen 20 Kilo und es ging dann immer weiter. Das fing dann an, als ich 13 war. Also wir haben ja Ball gespielt, Volleyball und ein bisschen Hanteltraining also mit dem Besenstil. Und dann ist das von Jahr zu Jahr mehr geworden. Ich bin natürlich ohne Ende motiviert gewesen und habe dann gedacht: Weißte watt? Da machst du was draus!
    Die Gewichtheber, die haben mich herzlich aufgenommen. Ich war 13, da war der Verstand noch nicht ganz da. Ich meine, wer will den mit 13 schon Gewichtheben machen? – Keiner eigentlich. Ich habe dann mitgemacht und war schon sehr stark. Ich habe mit 13 Jahren fast bessere Kniebeugen gemacht wie der stärkste aus dem Verein. Er sagte: ‚Das gibts doch nicht. Wie alt bist du?‘ Und dann haben die mich zum Essen mitgenommen, da war er der Ring dann geschlossen. Das Milieu waren eigentlich normale nette Leute.“

  • … seine olympische Goldmedaille 1984

    „1979 war ich Weltrekordler und 1980 war der Boykott von den Russen. Mit 20 Kilo mehr hätte ich in Moskau gewonnen. Der Ungar, der hat gewonnen. Er hat jedes Mal 20 Kilo mehr gemacht. 1984 habe ich auch ein bisschen Dusel gehabt, dass der Ostblock boykottiert hat. Das war vorher schon mein letzter Wettkampf. Mir haben die Knie ein bisschen wehgetan und die Schultern ein bisschen und der Ellenbogen. Also es hat mir alles ein bisschen wehgetan. Ich war in Sofia in Bulgarien im Trainingslager. Und für mich war klar: Das ist mein letzter Wettkampf, bevor ich da gewonnen habe. Ich wusste, das ist mein Letzter. Ja, wie gesagt, dem Fleißigen, schlägt ja irgendwann seine Stunde. Ich hebe das Ding da hoch 217,5 Kilo, dann habe ich sie fallen gelassen und nie mehr wieder gehoben. Dann kam Arnold Schwarzenegger in meine Garderobe und sagte: ‚Hör mal Champion, das war toll, was du gemacht hast!‘ Und dadurch ist so eine gewisse Freundschaft auch mit Ralf Möller zusammen entstanden.“

  • … Anekdoten aus der Trainerakademie und der Olympiavorbereitung

    „Dann war ich ja Bundestrainer, ich habe in Köln studiert und als Bester bestanden – nebenbei gesagt mit einer eins. Weil ich kein Abitur hatte, war ich war der Einzige, der eine Aufnahmeprüfung machen musste. Du kannst ja nicht studieren, wenn du kein Abi hast. Aber da ich alle Trainerscheine hatte und sportlich sehr erfolgreich war, war es in Ordnung. Ich war ja in der Zeit noch am Trainieren. Ich bin dann durch das ganze Lernen vom ersten Platz auf den sechsten abgerutscht. Habe mir aber, da ich clever war, dann in der Trainerakademie ein Zimmer genommen. Ich bin dann nicht nach Hause gefahren, weil ich trainiert habe. Dann habe ich wenigstens anderthalb Mal trainiert. Sonst habe ich ja zweimal am Tag trainiert. Also ich vom Weltmeister schließlich auf den sechsten Platz weggerutscht.
    Als die Prüfung in Köln bestanden war, musste ich mal ein Zeugnis vorzeigen, beim Oberstadtdirektor, Oberbürgermeister und beim Sportdirektor. Dann habe ich dem Sportdirektor mein Zeugnis gezeigt. Und er sagte: ‚Wen hast du denn da bestochen?‘ Weil ich mit eins abschlossen habe. Der fragte: ‚Willst du jetzt meinen Job haben?‘ ‚Nee, deinen Job will ich nicht.‘ ‚Was willst du denn?‘ – Das war 1982. Ich sagte: ‚Ich will mich noch mal für ´84 vorbereiten.‘ ‚Ach, willst du schon wieder auf unsere Kosten?‘ – Ich hatte unter Fortzahlung der Bezüge studiert und konnte zwei Jahre lang für Olympia trainiert. Das hat das Sportamt so gemacht. ‚Was willst du da machen?‘ ‚Ich hole eine Medaille! Ich verspreche es!‘ ‚Ja, welche denn?‘ ‚Welche kann ich jetzt nicht sagen, aber ich hole eine Medaille. Ich verspreche es!‘ Und der Oberstadtdirektor: ‚Will der noch mal zwei Jahre auf Fortzahlung seiner Bezüge …‘
    Und dann kam Gott sei Dank der Film. Und dann sagt er: ‚Nein Rolf, du kannst jetzt nicht mehr weiter machen.‘ Da sage ich: ‚Ich kündige auf beiderseitigem Einvernehmen.‘“

  • … die Sportärzte Keul und Klümper

    „Professor Keul war ja an der Universität in Freiburg, der hat mir nicht so gutgetan. Da ich hatte die 1976 in Montreal die Scheiße mit den Mineralien.
    Dem Klümper habe ich sehr viel zu verdanken. Keul ist derjenige, der mir 1976 das Zeug zutrinken gegeben hat, er war 1972 in München unser Arzt.
    Und der Klümper, er war die absolute Koryphäe. Ich würde sagen, der Klümper war der beste Arzt in ganz Deutschland. Der hat sich was getraut, der hat gemacht und getan. Die anderen waren alle neidisch auf ihn. Der war auch von der Universitätsklinik. Er hat immer gesungen, wenn er mir eine Spritze gegeben hat. ‚Hörst du die Vögel rufen …‘ Also der war gut, der Klümper.

    Da bin ich ein Mal ich durch das Fenster rein, denn der durfte nicht am Wochenende offen haben. Da bin ich mit meinem Kumpel Norbert Bergmann auch ein Gewichtheber nach Freiburg gefahren. Dann haben wir geklopft und Klümper hat das Fenster aufgemacht. Wir sind dann durch das Fenster rein. Wir hatten noch eine Flasche Whisky dabei, denn er trank gerne Whisky. Dann hat er geguckt, gemacht, getan, spritze gekriegt und wir sind dann 500 km wieder nach Hause gefahren – wahnsinn. Also der Klümper war sensationell. Ohne ihn wäre ich nicht so weit gekommen.
    Also die Kleinigkeiten, die Überanstrengungen, die ich hatte und Blablabla.

    Dann haben wir noch Geld gesammelt, der hatte ja mal Steuerschulden gehabt oder irgendwas war mal da. Dann haben alle Mann, das waren Eberhard Gienger, meine Wenigkeit und noch andere, zusammengesammelt und ihn unterstützt. Ich glaube, das war eine halbe Million. Ich weiß nicht mehr, was ich gegeben habe, 5000 oder 10.000 der Eberhard Gienger auch 10.000 und der Hingsen, der war noch mit 2000 dabei und und und. Dadurch konnte er die Steuern bezahlen. Ich habe da nämlich nie jemanden bezahlt. Wenn ich eine Spritze bekommen habe, hat der immer eine Hälfte von jemand anderem übriggehabt, ich weiß es auch nicht. Und dadurch ist irgendwas passiert und dadurch konnte er die Steuern nicht bezahlen.

    Der Klümper war so erfolgreich, da war nichts mit Doping. Ich habe insgesamt so 100 Dopingkontrollen gemacht, unangekündigt. Vor dem Wettkampf, nach dem Wettkampf und zwischendurch. Selbst wenn ich im Trainingslager war, auf Teneriffa, da kommt dieser Blödmann. Ich sage: ‚Hör mal, wieso bist du nicht am Samstag zum Flughafen gekommen? Jetzt kommst du am Sonntag hier her. Willst du Urlaub machen oder was?‘ Am Sonntag musste ich zur Dopingkontrolle und samstags war er am Flughafen. Er sagte: ‚Ich muss sowieso kommen, hier sind noch Kugelstoßer und dies und jenes.‘ Der ist dann auf Teneriffa rumgefahren. Und der Klümper, er war so sensationell, der hat einem wirklich geholfen. Und die anderen waren alle neidisch auf den, weil der so gut war. Im Gegensatz zum Keul. Gut, der hat auch nicht so viel gemacht. Der hat sich dann später im Tennis einen Namen geholt.
    Aber beim Klümper, da haben alle gesessen, Eberhard Gienger und meine Wenigkeit. Und da hat man lange gewartet. Also ich bin ja von hier, da braucht man mindestens vier Stunden. Da musst du schon rasen. Und dann sitzt du da nun mal drei Stunden und dann wieder vier Stunden nach Hause, schon scheiße. Aber das hat sich gelohnt.“

Vom Balltreter zum Gewichtheber

Eine Autofahrt mit Willi Daume

WM 2006 – Italien zu Gast bei Milser


Hier findet sich das vollständige Interview im PDF-Format:

Weiterlesen

Gente, Gerhard

DSCF1676
DSCF1681

Gerhard Gente

*1946
Multifunktionär rund um den Essener Turnsport sowie des Rheinischen Turner Bundes

Bereits als Jugendlicher machte sich Gerhard Gente um den Turnsport in seiner Heimatstadt Essen verdient. Kein Wunder also, dass die lokale Presse den ehemaligen Lehrer gerne als den „Turnvater“ der Stadt Essen betitelt.

Kurzbiografie

  • Geboren 1946 in Essen
  • 2. Staatsexamen Sport und Deutsch
  • Seit 1968 Mitglied im ETB Schwarz-Weiß
  • 1970-1977 Vorsitzender der Turnerjugend Essen
  • 1975-2011 Lehrer an der Gesamtschule Bockmühle, Essen Altendorf
  • 1977-2002 Vorsitzender Turngau Essen
  • 1978-1984 Vorsitzender Deutsche Turnerjugend
  • 2004 Bundesverdienstkreuz am Bande
  • Seit 2010 Geschäftsführer Gemeinschaft Essener Turnvereine e.V. (GET)

Gerhard Gente über …

  • … seinen ersten Kontakt zum Turnen in Essen

    „Wir sind dann nach Essen gezogen, weil mein Vater eine Stelle bei der Post in Essen bekommen hat. Ich bin dann mit zwölf Jahren nach Essen gekommen. Und meine Schwester hat dann ganz schnell einen Verein gefunden durch ihre Begegnung in München beim Turnfest. Da wussten Sie schon, dass wir nach Essen gehen und dann hat sie sich mal erkundigt, wo die Essener untergebracht sind. Und hat dann sofort einen für die damalige Zeit in Essen wichtigen Mann getroffen. Der war Oberturnwart vom Turngau. Das war ja schon was. Mit das höchste nach dem Vorsitzenden. Und der hat dann gesagt: ‚Wenn ihr nach Essen kommt, dann schau doch mal vorbei.‘ Das hat sie dann gemacht und ist dann sofort da geblieben, weil es da eine rege Jugendarbeit gab. Und einen guten Jugendwart, der Fahrten organisiert hat. Da ist sie dann sofort untergekommen und hat mich dann irgendwann auch als 12-Jährigen bei den größeren Kindern untergebracht. Und das heißt dann danach, so nach einem Jahr, ist man dann Riegenführer gewesen.
    Ich würde den Riegenführer, den ich damals auch machen durfte, musste, sollte, – würde ich vergleichen mit dem heutigen Sporthelfer. Der Übungsleiter war da. Damals hieß es ja Kinderturnwart. Der Kinderturnwart war da und der hatte die Stunde geleitet. Es ging los mit Warmmachen, also Rundenlaufen sowie es im Schulsport heute noch in vielen Fällen ist. Und dann kam ab und zu auch mal jemand von den Erwachsenen vorbei. Und wenn der kam, zum Beispiel der Oberturnwart, dann mussten wir alle strammstehen. Und dann mussten wir, wenn ihm aufgefallen war, dass einige nicht richtig sauber gewaschen waren, mussten wir die Hände vorzeigen, umdrehen. Und wer dann keine sauberen Hände hatte, der durfte erst mal die Hände waschen gehen.
    Das war damals noch üblich. Das weiß ich nicht nur von unserem Verein, das weiß ich von vielen Vereinen. Dass man zum Turnen nicht mit schmutzigen Klamotten kam, sondern die Turnhose sauber war. Meistens wurde barfuß geturnt, weil viele sich die Turnschuhe nicht leisten konnten. Und das war so 1958, da bin ich nach Essen gekommen und es konnte sich nicht jeder Turnschuhe leisten. Und deshalb gab es nur die Schläppchen. In der Halle waren grundsätzlich Schläppchen und keine Sportschuhe. Und das hieß damals Turnschuhe. Sportschuhe gab es nicht.“

  • … Vorbereitungen auf das Essener Turnfest 1963

    „1963 kam das Turnfest nach Essen. Ich bin `46 geboren. Ich war also noch Jugendlicher und wurden wir `61, `62, alle, die so in der Turnerjugend irgendwo in Essen was machten, dann gefragt oder da wurden die Vereine gefragt, ob wir nicht mithelfen können. Und das ging dann darum, bei der Vorbereitung mitzuwirken. Diese Aufgabenbücher, die es ja damals gab, gibt es bis heute eigentlich bei Turnfesten. Wo dann die unterschiedlichen Wettkämpfe da waren und welche Bewegungsformen gefordert waren. Heute geht das alles über Computer und damals musste das alles per Hand gemacht werden. Dann saßen wir in der Druckerei, und dann kamen die Seiten und die wurden dann in diese Kästen reingelegt. Man musste dann im Vorbeigehen die sammeln. Das war unser Beitrag zum Turnfest. Der Oberturnwart war gewohnt, dass die Turnerjugend sich irgendwie Beteiligte am Turnfest. Jeder musste einen Wettkampf haben, das war Pflicht. Ohne Wettkampf kam keiner zum Turnfest, wurde auch nicht bezahlt. Es gab ja auch damals schon die Turnfestbeiträge und dann kam er aber auf die glorreiche Idee, den Jugendgruppenwettstreit. Das war in Hamburg wieder ins Programm genommen worden. Dass die Turnverein-Gruppen mit mindestens vier Paaren tanzen, singen, Leichtathletik, eine Turnsache und schwimmen.  Und die haben wir dann geübt. Und wir sind natürlich gestartet. Wir wurden gezwungen, da zu starten oder gedrängt, sehr gedrängt. Und haben das auch alles geschafft. Und da wir ja vorm Turnfest auch ein bisschen Werbung für das Turnfest machen sollten, wurde uns vom Verein gesagt und auch von allen Jugendwarten in der Stadt Essen, damit das ja keine Pleite wird. Wir haben dann geübt, sowohl Singen als auch Tanzen als auch Bodenturnen im Stadtpark. Da war so eine kleine Grasfläche und da haben wir dann dort unser Training gemacht. Denn der Wettkampf passierte ja sowieso im Freien auf Rasen und von daher passt das auch und hat Spaß gemacht.“

  • … das Grugastadion

    „Also vor dem Turnfest sollte die Einweihung des Stadions stattfinden. Und dafür hat sich die Turnlehrerin der Stadt Essen, so hieß das offiziell, die im Schulamt für die Grundschulen und Hauptschulen für den Sport zuständig war. Die hatte sich gedacht, dass man die Grundschulen zum Beispiel mit kleinen Tänzen beschäftigt. Im Stadionrund waren dann 300 Kinder, die so Rundtänze machten, einfachster Art. Aber das wirkt dann natürlich, wenn man auf der Tribüne saß oder auf den Rängen rumstand, dann wirkt das natürlich durch die Masse schon. Und wenn es dann einigermaßen klappt, dafür waren wir dann zuständig vom Turnen her. Dann ist das schon ein tolles Bild. Das waren die Mädchen der Grundschulen. Und die Jungen haben Spiele gemacht oder Bockspringen, das weiß ich aber jetzt nicht mehr. Und es gab da Leichtathletikwettkämpfe, wo dann die Schulen beteiligt gewesen sind und die Vereine haben auch ein Bild gemacht. Aber das war sehr wenig.
    Und es war voll, weil ja die Kinder da waren. Das waren ja alles Schulkinder. Das heißt, die Eltern waren da, die Omas waren da. Das Stadion war ausverkauft. Die brauchten nichts zu bezahlen, aber es war voll. 30.000 Menschen mit Stehplätzen auf der anderen Seite der Tribüne.
    Also die Idee, ein Stadion zu bauen, war eben, die Stadt Essen, das Ruhrgebiet, wollte den Turnern, die dann anreisten, was bieten. Da die sich immer noch die graue Luft vorstellten und das Grün überhaupt nicht kannten, was wir ja nun bekanntermaßen in Essen sehr viel haben. Und die Konzeption war und das ist hinterher noch in anderen Stadtteilen auch durchgeführt worden, aber nicht in dem Ausmaß, so Bezirkssportanlagen zu bauen. Und darin war immer ein Stadion, also Stadion wurde in Essen so genannt, ein Platz für Fußball geeignet mit Rundlaufbahn und auf einer Seite immer mit einer kleinen Tribüne. Und davon haben wir in Essen bestimmt heute noch zehn, 15. Die dann aber direkt daneben noch eine Sporthalle haben. Und wenn es ging, es hat sich aber nicht bewährt, noch ein Schwimmbad. Die Problematik mit den Schwimmbädern wissen wir ja alle. Da ist Essen dann auch einen anderen Weg gegangen. Aber das war ja erst viel später. Aber dieses Grugabad, das war zum Turnfest gebaut worden und diese große Sportanlage, die Festwiese war, ich weiß es nicht mehr genau bestimmt fünf, sechs Fußballplätze groß, mit einem Ansteigen von fünf, sechs Treppenstufen rundum. Die hieß auch Festwiese, Turnfestwiese und hat diesen Namen auch behalten, bis die Messe Parkplätze brauchte.“

  • … Vergleich der Turnfeste 1963 mit 1990

    „Also Dortmund-Bochum, wenn ich das jetzt mal mit Essen vergleiche: In Essen spielte das Turnfest sich in der Innenstadt ab. Die Messe zählt für mich auch noch mit zur Innenstadt. Das ist ja Rüttenscheid, das ist vom Bahnhof her oder mit der Straßenbahn oder der U-Bahn vom Bahnhof zur Messe, und da war ja das Zentrum des Turnfestes, das sind sechs Minuten Fahrt. Zu Fuß kam man an so vielen Gaststätten, Cafés und Pommesbuden vorbei, dass man gar nicht merkte, dass man da in der Stadt unterwegs war.
    Und in Dortmund, da war auch alles zentriert beim Stadion, bei der Westfalenhalle und beim Westfalenpark. Das war toll. Es war wirklich toll und brachte auch viele Zuschauer und viele Dortmunder da hin. Aber in der Stadt passierte halt kaum was. Das hat man zwar versucht, indem man die Pavillons aufgebaut hat, dass man für Vorführungen Plätze hergerichtet hat. Aber das war auch Turnfest. Aber das war nicht so, wie das in Essen gewesen ist. In Essen gab es diese Sachen gar nicht in der Innenstadt, die da extra aufgebaut werden mussten. Sondern da passierte eigentlich einfach was. Und wenn dann eine Gruppe unterwegs war, und das waren viele Leute, dann machten die auch in der Stadt irgendwie was. Turner können immer was machen. Und wenn es nur ein paar Salti sind oder Flickflack. Und dann bleiben alle Leute stehen und gucken.
    Wenn man die beiden Turnfeste Ruhrgebiets Turnfeste mal vergleicht, dann muss ich feststellen, dass in Essen anschließend mehr Leute in die Turnvereine kamen, mehr Leute Sport gemacht haben. Und das war eindeutig festzustellen. Und bis Ende der 60er-Jahre ist die Anzahl der Turner, um mal dabei zu bleiben, von 15.000 in Essen auf 23.000 gestiegen. Also schon enormes Steigerungspotenzial, was da gewesen ist. Und das hat dann auch wieder abgenommen, weil Turnen ist nicht mehr die Welt. Und es gab so viele Möglichkeiten, Sport zu treiben und auch außerhalb der Vereine Sport zu treiben. Das kam ja auch noch dazu. Das war ja alles drin in der Zeit. Aber vom Turnfest her darauf aufbauend Jedermann-Turnen, Er-und-Sie-Turnen und dann diese ganzen Geschichten mit Mutter-und-Kind-, Familienturnen. Das sind ja alles Sachen, die sich in der Zeit entwickelt haben. Und da hatte Essen das Glück, dass sie dieses Turnfest hatten. Und das gab dann noch einmal den richtigen Impuls. Der wurde später auch aufgegriffen in Essen. Herr Bosak, zu dem haben wir immer gesagt, Wander-Turnlehrer des Landessportbundes. Der wurde vom Landessportbund angestellt und zog dann in die Städte und in die Dörfer und machte da Lehrgänge. Und wurde dann nach Essen geholt, abgeworben. Und er war Essener und wurde dann vom damaligen Sportdirektor Weitzdörfer, der wesentlich daran Anteil hatte, dass der Basketball nach Deutschland kam, geholt. Der hat dann mit ihm zusammen das Modell entwickelt Übungsleiterausbildung in Essen und das hat ´61 angefangen, also kurz vor dem Turnfest. Und der hat genau daran gearbeitet, was dann so Jedermann-Turnen wurden. Das hat ja schon vor dem Turnfest ein bisschen angefangen und ist beim Turnfest dann ganz groß geworden. Und er hat dann auch hinterher die Sportkurse der Stadt Essen gemacht. Das heißt, der hat sich als Leichtathlet, als Nicht-Turner, aber jemand, der sportlich begeistern kann, das Turnfest zunutze gemacht und da weitergemacht. Es war also dann nicht abrupt zu Ende, wie das ja in Dortmund glaube ich gewesen ist. Das hat Nachwirkungen gehabt.“

  • … das 25-jährige Jubiläum des RTB und eine Vorführung der anderen Art

    „Die 68er, um bei denen noch einmal anzuknüpfen, die haben uns ja auch sehr viel gebracht. Und die haben zum Beispiel uns in Essen gebracht, dass wir zum 25-jährigen Jubiläum des Rheinischen Turnerbundes gefragt worden sind: Ob wir nicht von der Turnerjugend-Essen auch eine Aufführung machen wollen. Das habe ich dann unsere Kunstturner, die richtig mitgearbeitet haben, gefragt: ‚Hört mal, wie können wir das machen? Ich würde ja gerne das machen, was wäre denn da? Was würde euch denn einfallen?‘ Und diese Kunstturner in Essen, die waren schon sehr speziell. Einer hatte zum Beispiel so eine Wolle (zeigt auf die Haare) und er kriegte immer Punkte abgezogen, weil das nicht turnerisch wertvoll war. Die hatten einheitliche Turnkleidung, aber keine einheitlichen Anzüge. Dafür kriegten die Punkte abgezogen: ‚Das gehört sich nicht. Das muss alles einheitlich sein, wenn man als Mannschaft auftritt.‘ Und da haben die gesagt: ‚Machen wir was draus. Und dann machen wir die Publikumsbeschimpfung.‘ Die kamen alle von einer Schule, einem Gymnasium. Und da war die Publikumsbeschimpfung gerade „In“. Und ich habe gesagt: ‚Okay, macht mal! Den Text könnt ihr ja nicht übernehmen. Wir können nur die Art und Weise übernehmen, den Text müsst ihr schon selber schreiben.‘ Und dann sind sie auf die Idee gekommen: Wir nehmen „Turner auf zum Streite“. Das haben wir geübt. Das durfte ich denen dann beibringen. Und das haben die dann gesungen. Sie kamen dann da rein, wie das früher noch üblich war. Das hatten die nicht mehr mitgekriegt. Aber ich habe ihnen das erzählt, dass das so zu Beginn des Rheinischen Turnerbundes so war, dass zum Beispiel, wenn Jahreshauptversammlung war, dann kam die Turnerjugend und hat ein, zwei Lieder gesungen. Schön adrett, weißes Hemd, dunkle Hose, die Mädchen weiße Bluse, dunkler Rock. Und dann wurde gesungen und dann unter anderem auch „Turner auf zum Streite“. Und dann marschierten die da so rein und sangen dann „Turner auf zum Streite“ und bauten sich so auf und sangen. Einer von denen dirigierte. Dann haben die die Leute aufgefordert, bei der dritten Strophe mitzusingen. Die kannten den Text natürlich, den haben sie gelernt. Und die Alten, die da saßen, haben begeistert mitgesungen. Und dann ist eine zweite Truppe gekommen, hat gesagt: ‚Was macht ihr da eigentlich für ein Scheiß hier?‘ Hat losgelegt: ‚Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei – Fotogen, Foul und Fett.‘ Die haben das Publikum beschimpft. Ich war ja der Veranstalter ich sollte mich dann vor dem Rechts- und Ehrenausschuss rechtfertigen. Habe ich gesagt: ‚Ja gut, kein Problem.‘ Dazu ist es nicht gekommen, weil die Rheinische Turnerjugend, mit denen hatte ich auch schon einiges so gemacht, und die sagten dann: ‚Völlig unmöglich.‘ Der Jugendwart sagte dann: ‚Ich habe die engagiert und habe denen gesagt, sie können machen, was sie wollen, und die haben was gemacht. Und es ist ja auch gut angekommen bei vielen, nur bei bestimmten Leuten nicht.‘ Und der Gag jetzt dabei: Derjenige, der mich vor den Rechts- und Ehrenausschuss bringen wollte, der war hinterher in meinem Vorstand des Turngaus Essen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Er hat mit mir seinen Frieden wiedergefunden. Das ging damals noch.“

  • … Anfänge als Lehrer einer Gesamtschule

    „Ich kam dann an die erste Gesamtschule in Essen, neunzügig. Und wo die ersten Gesamtschulen gebaut wurden, weiß man hier in Köln auch. Die kamen nur dahin, wo es dringend notwendig war, dass überhaupt Schule dorthin kam. Ich kam dann im dritten Jahr dazu, die ersten Jahrgänge, da war die Gesamtschule so gedacht, da konnten die Schüler machen, was sie wollten. 1972 ist sie gebaut worden oder fertig geworden und ich war ab ´75 da. Aber aus denen ist komischerweise allen etwas geworden. Das hat mich wirklich gewundert, nachdem ich das gehört habe. Was da speziell aus dem ersten Jahr rausgekommen ist, das ist unglaublich. Das haben wir hinterher nicht mehr geschafft. Aber wir haben auch nie mehr diesen Einstieg gehabt. Denn da wollte ja jeder, der irgendetwas in der Politik zu sagen hatte, der wollte entweder seine Kinder nicht dahin bringen – die schwarze Partei oder auf jeden Fall die Kinder dahinbringen – die rote Partei. Und da es damals in Essen noch keine Schulbezirke gab. Daher haben wir von ganz Essen Kinder gehabt. Und wir hatten das Glück, diesen Einstieg wirklich so machen zu können: Ein Drittel Gymnasiasten, ein Drittel Realschüler, um das mal so allgemein zu sagen und ein Drittel Hauptschüler. Und solange wir das hatten, lief das. Und lief das sehr gut. Und das ist dann aber aufgebröckelt worden, als wir umringt worden sind, von Gesamtschulen, die einen besseren Standort hatten. Und da mussten wir dann kämpfen.“  

Das Deutsche Turnfest 1963

Selbstverwaltung in der Turnerjugend

Publikumsbeschimpfung zum 25. Jubiläum des Rheinischen Turnerbundes

Pfingstzeltlager der Rheinischen Turnerjugend


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format:

Weiterlesen