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Autor: Niklas Hack

Hans-Peter Durst

Hans-Peter Durst

Hans-Peter Durst

*1958
Triathlet sowie Paralympicssieger und Weltmeister im Paracycling

Im Alter von 58 Jahren raste Hans-Peter Durst auf seinem Dreirad zu zwei paralympischen Goldmedaillen. Auch im Triathlon reüssierte der gebürtige Allgäuer, der als erster Para-Athlet zum „Sportler des Jahres“ seiner Wahlheimat Dortmund gewählt wurde.

Kurzbiografie

  • Geboren 1958 in Kaufbeuren (Allgäu)
  • Studienabschluss: Diplom-Betriebswirt
  • 1985-1994 Tätigkeit in der Brauwirtschaft für die ‘Brau und Brunnen AG’ sowie die ‘Kulmbacher Brauerei AG’
  • 1994-1996 Erleidung eines Schädel-Hirn-Traumas und danach 23-monatiger Klinik-Aufenthalt  infolge eines unverschuldeten Verkehrsunfalls
  • 2009-2011 Vier Deutsche Meisterschaften im Paratriathlon
  • 2011, 2012, 2016 Sportler des Jahres in Dortmund
  • 2011-2019 Sechs Weltmeistertitel im Einzelzeitfahren auf der Straße und drei Weltmeistertitel im Straßenrennen
  • 2012 Silber bei den Paralympics in London (gemischtes Einzelzeitfahren)
  • 2012 und 2016 Silbernes Lorbeerblatt
  • 2016 Gold bei den Paralympics in Rio de Janeiro (Einzelzeitfahren und Straßenrennen)
  • 2021 Europameistertitel (Einzelzeitfahren und Straßenrennen)

Hans-Peter Durst über …

  • … erste (sportliche) Eindrücke aus Dortmund

    „Die berufliche Ausbildung und Studienwahl waren für mich mit einem zentralen Ziel verbunden. Ich hatte nichts gegen meine Eltern, aber ich wollte einfach in die große, weite Welt. Also habe ich mich 1976 zum Diercke Weltatlas gesetzt, habe einen Zirkel genommen, um Ummendorf oder Biberach herum einfach mal 600 Kilometer gemalt – das war für mich dann die große, weite Welt. Mindestens so weit weg musste ich gehen. Und da kam ich per Zufall durch Dortmund. Dortmund kannte man in dem Fall schon als Fußballstadt. Ich hatte ganz in der Nähe Verwandtschaft in Castrop-Rauxel. Ich dachte: Mensch, das wäre doch eine gute Gelegenheit, dort mal zu fragen: Gibt es da Möglichkeiten und kann man dort BWL studieren? Das ist ganz wichtig für mich gewesen und es hat alles geklappt. Ich bin dann dort angekommen, habe erst privat bei meiner Verwandtschaft gewohnt und habe mir dann ein eigenes Zimmer gesucht. In einer kleinen Garage, also typisch Student und kleine Bude. Ich hatte einen kleinen Vespa-Roller und wollte eigentlich im Prinzip ein Jahr oder zwei Jahre mal dort meine Ausbildung, mein Studium abschließen und dann wieder zurück ins beschauliche Allgäu. Das war nämlich mein klares Ziel. Man hatte ja dort seine Freunde, hatte auch schon die erste Freundin, die man zurücklassen musste. Aber es kam eben dann anders. Es kam so, dass ich eben am dritten, vierten Tag in eine kleine Kapelle in Dortmund zum Gottesdienst ging. Samstagabend, 18 Uhr-Gottesdienst, Margaretenkapelle in Barop. Und da saß eben eine junge Frau mit ihrer Mutti. Und irgendwie war selbst der Rücken von ihr schon entzückend. Wir sind jetzt über 36 Jahre verheiratet und kannten uns dementsprechend auch schon vorher. Und so ist dann Dortmund wirklich der Mittelpunkt meines gelebten Lebens gewesen. Wobei das Allgäu, Oberschwaben auch in unserer Familie, in der neugegründeten Familie Durst, dann eben auch einen ganz großen Stellenwert hat.

    In Dortmund wollte ich natürlich relativ schnell Menschen kennenlernen. Das geht am besten im Vereinsleben. Jetzt hatte ich natürlich die Erinnerung an Tischtennis und habe mich in Dortmund ein bisschen umgehört. Da gab es sogar von dem großen BVB, den man eigentlich aus dem Fußball kennt, auch eine Bundesliga-Mannschaft mit mehreren Untermannschaften im Tischtennis. Aber da war ich einfach nicht gut genug. Das war schon eine ganz andere Liga. Und ich hätte da irgendwie mittrainieren können, das wollte ich dann eigentlich nicht und habe mich dann eben mehr spezialisiert aufs Fahrradfahren. Alles, was man so machen kann, ohne jetzt zeitlich sehr stark eingebunden zu sein. Ich habe dann angefangen mit Sportarten wie Schwimmen. Alles, was einen leichten Zugang hat. Ich habe darüber auch relativ schnell Menschen kennengelernt. Aber es war eben kein zentraler Punkt, wie es eigentlich in meiner Heimat war. Dieses klassische Vereinsleben in einem kleinen Dorf, das gibt es in dem Fall in einer Großstadt weniger. Ich bin natürlich auch aktuell in drei Vereinen als Mitglied aktiv. Aber es ist ein anderes Vereinsleben als in einem Dorf, da ist das Vereinsleben der Mittelpunkt.“

  • … Anfänge im Parasport

    „Im Prinzip sage ich immer: Mein Entdecker für den Parasport war wirklich ein Mechaniker – Hermann Frey, er war selber toller Sportler. Und der hat mich einfach angesprochen, sah mich als Menschen mit Behinderungen auf einem Dreirad und sagt: ‚Da will ich mal dem Bundestrainer, das war damals Adelbert Kromer aus Reute bei Freiburg, mal einen Athleten zuführen.‘
    Jetzt war ich nicht mehr der Jüngste. Ich war ja auch schon zu dem Zeitpunkt über 40, das weiß ich nicht mehr ganz genau. Aber er hat mich einfach zugeführt. Das war eine großartige Sache. Und so kam eben die erste Inspiration. Ich musste dann im Prinzip für einen Startpass auch in einen Verein gehen. Das war dann eben ein Dortmunder Behindertensportverein, RBG Dortmund 51. Da habe ich mich lange gewehrt, weil ich gesagt habe: ‚Aber ich bin doch nicht so stark behindert, dass ich in einen Behindertensportverein gehe!‘ Ich wollte da eigentlich gar nicht rein, weil ich mich nicht so behindert fühlte. Ich wollte in einen Radsportverein gehen.
    Aber das haben wir dann gemacht. Es war ein ganz tolles Team, also auch eine unglaublich lebendige Geschäftsführerin, die dann meine ersten sportlichen Dinge auch begleitet hat. Ich wollte dann auch nicht nur Radfahren, sondern wollte dann auch bisschen Triathlon ausprobieren. Also alles, was halt in der Region war.
    Dann sind wir nach Willich-Schiefbahn. Da gab es dann das erste Mal die kürzeste Distanz im Triathlon, also wirklich ein Sprinttriathlon. Es war in einem 25-Meter-Becken. Das habe ich mir zugetraut, weil ich nicht so gut schwimmen kann. Durch die mangelnde Koordination kann ich nicht gut kraulen, weil ich dann die Orientierung im Wasser verliere. Ich muss also immer wieder sehr viel Brustschwimmen. Dann war da eine kurze Radstrecke. Ich glaube, das waren nur zehn Kilometer und drei Kilometer Laufen. Und dann kam man das erste Mal zusammen an, mit anderen Sportlern mit Behinderungen, also anderen Dreiradfahrern und anderen Rollstuhlfahrern. Und ich habe dann einen sehr netten Menschen aus Bochum kennengelernt, Markus Schlüter, der bei mir in der Nähe wohnte, das war auch wichtig.
    Mit dem habe ich dann das erste Mal unter Menschen mit Behinderungen trainiert. Der war schon viele Jahre dabei, war nicht ganz so erfolgreich, aber er war immer bei den Meisterschaften dabei. Er hat sich auch durchgekämpft bei Triathlon-Veranstaltungen ohne Behinderung, also bei ganz normalen Veranstaltungen in Carmen und wo die halt bei uns um die Ecke waren. Und das hat mir eine unglaubliche Freude gemacht und hat mich inspiriert. Ich sage: ‚Mensch, wenn Menschen mit Behinderung so tolle Leistung können, dann geht ja bei mir vielleicht auch noch was, trotz meines Alters.‘ Und dann haben wir den ersten Triathlon gemacht. Er hat mich dann immer angemeldet, hat gesagt: ‚Mensch Hans-Peter, lass uns doch dahinfahren. Deutsche Meisterschaft.‘
    Im Triathlon, habe ich noch einige deutsche Meistertitel gewonnen. Aber es spezialisierte sich doch mehr und mehr zum Radfahren, weil die anderen beiden Disziplinen, die sind halt bei mir schon sehr stark unterbelichtet. Und dann gibt es ja auch verschiedene Klassen natürlich und das Schwimmen und Laufen. Laufen ist dann später auch meine Leidenschaft geworden, aber eben halt nicht auf diesem sportlichen Niveau. Das ist dann eher ein Ausgleich. Erik Zabel würde sagen: ‚Alternatives Training‘. So hat es sich dann immer mehr zum Radsport entwickelt. Ich bin dann eben wirklich mit in diese Trainingslager des deutschen Radsportteams. Heute heißt es ‚Paracycling Team Germany‘ und habe relativ schnell festgestellt, dass ich gar nicht so schlecht bin, dass also die, die schon länger auf einem Dreirad sitzen, gar nicht unbedingt stärker sind als ich. Das hängt ein bisschen auch an den an den individuellen Behinderungen. Aber ich hatte wohl die Gabe, dass ich eben auch punktgenau trainiert habe. Ich konnte mein linkes Bein auch richtig gut trainieren. Das ist also wirklich ein starkes Bein, das darf ich heute sagen. Das Rechte ist ein bisschen eingeschränkt, aber das ist okay. Ich habe einfach diese Technik durch mein langes vorheriges Dreiradfahren ohne sportliche Ziele.“

  • … seinen ersten Weltcup

    „Der Sport hat dann ab diesem Zeitraum wirklich eine sehr viel zentralere Rolle eingenommen. Unser Sport bleibt weiterhin ein Amateursport. Ein Sport für Menschen, die mit Leidenschaft Sport machen, aber keine Berufssportler oder Profisportler sind. Das macht vielleicht auch noch mal einen besonderen Unterschied. Für mich ist es einfach wirklich eine ganz große Leidenschaft geworden. Und natürlich zunehmend mit diesen Erfolgen, diesen ersten Erfolgen bei Meisterschaften, das ging ja dann bei mir auch relativ schnell. Man hat gar nicht so einen sehr langen Anlaufweg gehabt. Von der ersten deutschen Meisterschaft im reinen Paracycling zur ersten Weltmeisterschaft in Roskilde in Dänemark waren es ja nur zweieinhalb Jahre. Das ist eigentlich gar nichts, das hat natürlich schon elektrisiert.
    Auch im Umfeld war das natürlich so: ‚Mensch Durst, was machst du? Das ist ja unglaublich! Wir haben von dir in der Zeitung gelesen. Du bist Deutscher Meister geworden!‘ Ich sage: ‚Ball flach halten, es macht einfach Spaß.‘ Sagt er: ‚Aber wenn du doch Deutscher Meister bist und bist vorgeschlagen zum Weltcup in Italien, dann fährst du doch dahin?‘ ‚Das muss ich erst Mal mit meiner Frau besprechen. Jemand muss mich ja dahinfahren.‘ Ich hatte natürlich vorher auch mit meinem Deutschen Behindertensportverband gesprochen, mit den Betreuern des Paracycling Teams. Da war eine sehr nette Dame, die leider nicht mehr lebt, die Heidi Hoch, die uns Dreiradfahrer so ein bisschen als Co-Trainerin betreut hat. Und ich habe ihr immer gesagt: ‚Ich muss natürlich schon irgendwie gucken, wie ich zu den Rennen komme, weil ich nicht Autofahren darf.‘ Ich kann auch mit dem Dreirad, mit Ersatzlaufrädern, mit dem ganzen Equipment nicht im Zug fahren. Zumal man in den größeren Zügen gar nicht mit einem Dreirad rein darf, weil die Türen viel zu schmal sind. Und da war natürlich der Deutsche Behindertensportverband schon noch etwas rudimentär, das muss ich schon sagen. Und es hat sich leider auch bis heute bis 2021 noch nicht geändert. Das eben Athleten, die Assistenz brauchen, eben keine Assistenz bekommen. Das gibt es in anderen Ländern, kann die jetzt rückblickend sagen. In anderen Ländern ist es deutlich besser. Wir trainieren sehr viel mit dem australischen Team, mit dem kanadischen Team, wo es eine Selbstverständlichkeit ist, wenn jemand sich nicht selber bewegen kann, wenn er nicht Auto fahren kann, wenn er andere Einschränkungen hat, die ihn behindern, dann wird ihm eben Assistenz gegeben, ist gar keine Frage.

    Wir sind dann in die Familie gegangen, haben uns zu viert an den Tisch gesetzt und haben gesagt: ‚Wie können wir das hinkriegen?‘ Ich habe eine Einladung zu einem Weltcup in Piacenza Italien. Da ist man natürlich so als Athlet – da möchte man eigentlich schon gerne hin. Und dann haben wir überlegt: Wie könnten wir es handlen? Dann hat meine Frau gesagt: ‚Gut, dann müssen wir mal zu einem Händler fahren. Mal gucken, dass wir so einen guten Ständer kriegen, für hinten drauf aufs Auto.‘ Und ja, dann sind wir zum ersten Weltcup gefahren nach Italien, ich glaube, am Ende gab es den dritten Platz und den zweiten Platz gegen Namen, die für mich bis dahin immer so die ganz Großen im Dreirad waren. Die Betreuerin, die Heidi Hoch, die hat dann auch gesagt, heute könnte es sein, dass der Engländer startet. Sie hat gar nicht den Namen gesagt, weil der eben schon Paralympics-Sieger war. Der hat in Peking Gold gewonnen, also das waren große Namen. Ich dachte: Jetzt kommen wir endlich mit denen in Berührung. Aber leider hat sich es sich fast nie ergeben, weil die ganz Großen sind halt immer wo ganz anders gestartet, als ich starten durfte. Aber es hat sich dann irgendwann ergeben, dass wir uns auch kennengelernt haben.“

     

  • … Visionen als Parasportler

    „Das Thema Inklusion ist natürlich für uns Sportler und aber auch für die ganze Gesellschaft ein ganz wichtiger Part im olympischen- wie im paralympischen Sport. Ich werde ja immer mal so gefragt: ‚Hast du Visionen?‘ Und ich sage: ‚Klar habe ich Visionen.‘ Ich habe Träume, dass mal ein wirklich internationales Sportereignis, sportartenübergreifend oder vielleicht erst einmal nur in Deutschland eine Deutsche Meisterschaft sportartübergreifend stattfindet, wie es jetzt diese zehn oder zwölf Sportarten ja schon so ein klein bisschen vormachen. Dass man die wirklich inklusiv macht, dass man die gleichwertig macht, dass man Möglichkeiten schafft, dass Menschen mit und ohne Behinderungen am gleichen Ort zur gleichen Zeit mit der gleichen Medienaufmerksamkeit Sport treiben können und dann später auch darüber berichten können. Dann ist dieses Gebilde, was ich mir immer so vorstelle, mit den schönen bunten Kügelchen, wirklich gleichwertig wunderbar verteilt. Ich weiß, dass es natürlich irgendwo immer an Grenzen gerät. Das ist auch gar nicht so schlimm, weil Menschen, wir kennen es aus der Schule, sind sehr verständnisvoll, wenn man vernünftig erklärt, warum manche Dinge nicht gehen. Es geht auch in der Schule nicht Inklusion pur. Ich bin selbst sehr, sehr viel an Grund- und Realschulen. Inklusion kommt natürlich auch an Grenzen. Es ist gar keine Frage. Und da sind Eltern und auch die Schüler und Schülerinnen selber sehr verständnisvoll, wenn man sagt: ‚Es muss auch noch ‚Sonderschulen‘ geben, wo man eben auf bestimmte Dinge eingeht.‘ Und so ist es im Sport auch.
    Also wir sollten erst Mal in unseren eigenen Verbänden anfangen. Das heißt also im Deutschen Behindertensportverband. Da müssen wir Inklusion erst mal richtig leben. Leben heißt auch, die Sportarten mit Leben erfüllen, den Menschen die Möglichkeiten geben, dass sie ihren Sport ausüben können mit der Behinderung, die sie eben haben, in der Sportart, die sie gerne ausführen möchten. Klar kann man sagen: ‚Du kannst jetzt eben nicht zum Radsport ohne Assistenz. Das geht nicht. Aber du kannst zum Schwimmen gehen.‘ Aber ein junger Mensch möchte vielleicht nicht schwimmen, sondern der möchte gerne auf seinem Dreirad fahren. Und das muss man ihm dann einfach ermöglichen. Die Gelder sind da, das weiß ich, und das weiß ich auch von den Ministerien, den Gesprächen, die ich mit mit den Mitgliedern des Sportausschusses im Deutschen Bundestag und mit den Mitgliedern des Sportausschusses in NRW führe. Die Gelder sind da, sie müssen einfach in die richtigen Bahnen kommen. Und dann geht es natürlich darüber hinaus, der Deutsche Olympische Sportbund, da sollte natürlich dann irgendwann auch eine Verzahnung erfolgen, vorsichtig und langsam. Man möchte niemanden übervorteilen. Es ist auch für den Deutschen Olympischen Sportbund nicht einfach, jetzt plötzlich zu hören: ‚Wir wollen jetzt in allen Sportarten mit den Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten!‘ Man muss auch dort Konzepte entwickeln. Man muss Kooperationspapiere schreiben. Man muss vor allem in Kontakt treten. Man muss sich austauschen, sagen wir mal die Sportdirektoren, Schimmelpfennig und so weiter müssen halt in die Gespräche eingebunden werden. Und es muss von oben kommen, wie ich finde. Also, dass die Präsidenten sich verstehen und die gleiche Meinung haben, was Inklusion bedeutet. Aber es muss genauso von den Athleten selber kommen, da gehöre ich dazu. Wir sollen nicht warten, bis irgendwann Konzepte entstehen, sondern wir sollen wirklich täglich auch daran mitarbeiten. Wir haben ‚Athleten-Deutschland‘, wir haben Athletensprecherinnen und Athletensprecher. Das wir denen auch immer wieder Impulse und Input geben. Es muss einfach ein Geflecht, ein Netzwerk geben, dass wir dieses Wort Inklusion im Sport irgendwann gar nicht mehr brauchen.“

  • … die Entscheidung der Nicht-Teilnahme an den Paralympics 2021

    „Ich habe mich dann mit meinem Para-Sport-Support-Team, das heißt also einer kleine Menge an Menschen, insbesondere natürlich auch meiner Familie, zusammengesessen. Ich habe unglaublich viele E-Mails geschrieben, persönliche Gespräche und Telefongespräche geführt. Mit Dagmar Freitag als Vorsitzende des Sportausschusses, der Präsidentin vom Ethikrat, dem Sportlichen Leiter hier vom Landessportverband, natürlich mit meinen Trainern und dem Sportdirektor vom Deutschen Behindertensportverband. Ich wollte einfach eine umfassende Meinung und umfassende Informationen haben, weil meine Werte mir gesagt haben, in dieses Land, wo die Krankenhäuser voll sind, die haben keinen Impfstoff – zu der Zeit haben die ja gerade erst angefangen zu impfen, weil die Japaner gerne selber mit eigenem Impfstoff geimpft hätten, was ihnen dann nicht gelungen ist. Die mussten am Schluss den Schweizer Impfstoff nehmen, weil sie halt partout nicht den chinesischen Impfstoff wollten. Das ist halt in der Mentalität so. Die Krankenhäuser waren voll, die hatten seit vielen Monaten Notstand. Die Menschen haben abgestimmt, die haben gesagt: ‚Bitte verschiebt diese Paralympics.‘ Ich spreche jetzt mal nur für die Paralympics, sonst muss ich immer Olympische Spiele und Paralympics sagen.
    Nicht weil sie uns nicht mögen, Japan ist ein unglaublich sportbegeistertes Land, aber die haben einfach Angst gehabt, noch länger diese Notstandsverordnungen zu haben. Und ja, dann musste eine Entscheidung her. Dann habe ich noch mal mit Leuten telefoniert und gesprochen die in Japan leben. Die sagten: ‚Das ist unvorstellbar unverantwortlich. Das kann gar nicht sein, dass diese Spiele dieses Jahr stattfinden!‘ Aber irgendwie sind sie halt dann doch zu den Olympischen Spielen gekommen. Und dann war für mich natürlich auch klar, die Paralympics fallen aus. Da habe ich gesagt, ich muss jetzt aber so fair sein, wenn ich schon meine Entscheidung treffe, dann aus den drei Gründen:
    Einmal hauptsächlich den gesundheitlichen Gründen natürlich. Die bei uns ja auch schon leicht wieder steigenden Inzidenzzahlen, aber insbesondere eben in Japan.
    Dann war es mir eben auch wichtig, diese Umfragen der Japaner miteinzubeziehen. Und eben das hört sich ein bisschen pathetisch an. Aber diesen Respekt der japanischen Bevölkerung zu zollen.
    Und dann war aber auch ein persönliches Thema für mich ganz wichtig. Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass ich aus der Bierbranche komme. Meine Frau kommt aus der Hotellerie. Wir haben viele Freunde, die genau in den Branchen arbeiten, Getränkefachgroßhändler, Brauereien, Gasthäuser, Gasthöfe, Hotels, Veranstaltungsmanager. Und denen ging es in diesen Maiwochen sehr, sehr schlecht. Die lebten im Prinzip von Förderungen, lebten von nicht erteilten Förderungen, lebten zum Teil von der Substanz. Mitarbeiter waren in Kurzarbeit oder wurden entlassen. Und ich habe gesagt: ‚Ich mache jetzt die zweitschönste Sache der Welt, das ist mein Sport. Aber es bleibt halt nur ein Hobby. Das bleibt die schönste Nebensache der Welt.‘ Und dann kommen tolle Bilder dabei raus aber denen geht es eigentlich nicht gut. Das konnte ich einfach nicht mit mir vereinbaren. Das war nicht mein Ding, es sind halt die Werte, die ich leben möchte.
    Es war schwer. Das ist gar keine Frage. Es waren dann auch viele schlaflose Nächte dazwischen. Viele Tränen auch im Vorfeld bei mir, weil mir klar war, ich werde viele Leute auch enttäuschend. Zum Beispiel gerade die Sportdirektoren, die ja auch von unseren Medaillen, von unseren Erfolgen Leben. Die werde ich enttäuschen. Das ist gar keine Frage. Dann habe ich mit meiner Partnerin gesprochen. Wie groß ist die Enttäuschung, wenn ich das absagen würde? Wollt ihr gerne eure Förderung zurückhaben? Muss ich vielleicht rückwärtig das Auto fünf Jahre bezahlen, das machen wir alles. Meine Frau und ich haben gesagt, das würden wir auch machen. Weil die Überzeugung, dass die Spiele zur falschen Zeit stattfinden, war so groß, dass ich einfach gesagt habe: ‚Es geht nicht!‘ Und das tut natürlich im Nachhinein ganz gut, wenn man so ein bisschen reflektiert, dass ich sage mal 90 Prozent der Rückmeldungen zustimmend und respektvoll waren. Natürlich mit voller Berechtigung auch einige konstruktiv dagegen waren, damit muss man leben. Das mag ich auch gerne, wenn Leute ihre Meinung sagen.“

Als Allgäuer im Revier der 1980er-Jahre

Sportsponsoring in Sachsen

Kein Weg zurück?

Auf drei Rädern in ein neues Leben


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format:

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Ralf Moeller

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Ralf Moeller

*1959
“Mr Universe” und Gladiator

Der SV Neptun zeugte einen Gladiator: In seiner Heimat Recklinghausen absolvierte Ralf Moeller eine Ausbildung zum Schwimmmeister. Als Bodybuilder pumpte er sich 1986 zum “Mr Universe” und inszenierte seine Körperkraft fortan cineastisch.

Kurzbiografie

  • 1959 Geburt in Recklinghausen
  • 1966-1974 Mehrfacher Stadt- und Westfalenmeister im Schwimmen für den SV Neptun 28 e. V.
  • 1981-1983 Schwimmmeister/-lehrer in Recklinghausen
  • 1977-1989 Bodybuildingkarriere 1983 bundesdeutscher Meister im Bodybuilding („Mister Germany“)
  • 1986 IFBB-(Amateur-)Weltmeister “Mr Universe” (im Schwergewicht über 90 Kg)
  • 2000 Filmrolle als Gladiator Hagen in Ridley Scotts Gladiator
  • 2010 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen

Ralf Moeller über …

  • … sportliche Anfänge beim SV Neptun und erste Erfahrungen im Bodybuilding

    „Ich habe früh mit Schwimmsport angefangen, damals beim SV Neptun 28. Das war so mein Ding. Aber ich bin über eine Stadtmeisterschaft oder Westfalenmeisterschaft nicht weiter herausgekommen, ich wurde dann mal Jahrgangsmeister. Ich kann mich erinnern, Brust habe ich gern geschwommen, Kraul und später wurde ich älter, dann auch mal Delfin. Aber beim Brustschwimmen habe ich nachher irgendwann den Scherenschlag reinbekommen, den kriegte man auch nicht wieder raus. Rückenschwimmen habe ich gar nicht gemocht, aber Kraul und dann später Delfin, das war es dann. Aber wie gesagt, alles noch auf regionaler Ebene.
    In der Schule wurde viel Sport gemacht. Da wurde mehr Sport gemacht als heutzutage. Alleine schon im Sport gab es auch immer eine gute Zwei, manchmal auch eine Eins. Dann gab es ja auch die Urkunden. Damals gab es die Ehrenurkunden und die Siegerurkunden.
    Ich muss auch sagen: Mir hatte der Vater das Schwimmen beigebracht. Und später wurde ich dann trainiert bei dem jetzt schon länger Verstorbenen Ortwin Thum, der war auch Schwimmlehrer. Er hat Generationen von Leuten das Schwimmen beigebracht und auch dann trainiert. Und dann gab es bei uns damals im Hallenbad auch das Totenkopfabzeichen. Dafür musstest du dich eine Stunde im Wasser bewegen, Ringe aus 3,50 m Tiefe rausholen – das war so die Zeit.
    Und ich habe dann auch mal eine Zeit geboxt, im Boxring 28. Allerdings nur so zwei Jahre, es war mehr so trainingsmäßig. Ich sollte dann mal mit 15, 16 einen Kampf haben. Ich war ja schon als Junior so eine Art Schwergewicht. Aber der Gegner hatte sich dann den Finger gebrochen, dann hatte ich umsonst trainiert. Dann gab es noch mal irgendwie ein Kampf, der nicht stattgefunden hatte. Und dann hatte ich die Lust verloren und begann dann später so mit 17 mit dem Bodybuilding. Da bin dann immer nach Herne zum Oskar Lutz, das war ein ehemaliger Kugelstoßer oder Diskuswerfer gewesen und der hatte so einen Raum. Das sah so wie bei Rocky aus, also mit so ganz verrosteten Geräten. Man brauchte auch von Recklinghausen-Süd bis nach Herne, wo er war, immer so bestimmt 45, 50 Minuten mit der Bahn oder man ist auch schon mal mit jemandem auf dem Mofa mitgefahren. Da gab es auch keine Duschen, aber wir haben da toll trainiert. Und von dort aus ging es dann später nach Essen zum Sportstudio Brand. Dann habe ich irgendwann regelmäßig in Essen trainiert und dort auch meine ersten Wettkämpfe absolviert.“

  • … Bodybuilding während der Wehrpflicht

    „Ich habe gedient, wie man so schön sagt, von 1979 bis 1981, Wuppertal-Elberfeld im Pipelinepionierbataillon 840, Generaloberst-Höppner-Kaserne. Und bin als Obergefreiter UA – Unteroffiziersanwärter damals abgegangen. Das war die Zeit, da haben wir noch 15 Monate gedient.  Ich habe 1977 mit Bodybuilding angefangen. Ich war dann schon Juniorenmeister und wollten natürlich weitermachen, aber konnte nicht. In der Zeit von 1979 bis 1981 dachte ich: Verdammt, Bodybuilding ist keine anerkannte Sportart. Was machst du?
    Dann bin ich zum Ogiolda dem Bundestrainer in Wattenscheid. Der war für Kugel und Diskus Bundestrainer. Und da bin ich nach Wattenscheid und habe gesagt: ‚Ich möchte Kugel und Diskus trainieren.‘ Also da kam ich dann vom Bund – nach der dreimonatigen Grundausbildung konnte ich dann auch manchmal eher einen Dienst beenden und habe dann dort trainiert. Ich bin dann von Wuppertal nach Wattenscheid gefahren. Und ich habe dann dort auch trainiert, weil ich wollte natürlich weiter Bodybuilding machen. Ich brauchte Eisen, das habe ich natürlich in der Kaserne nicht vorgefunden. Klar wurde da gelaufen, gerannt und Sport gemacht. Beziehungsweise mit den 36-Stunden-Übungen oder 24-Stunden laufen und gehen, bis die alle Blasen hatten. Aber es war kein Sport. Es war natürlich eine Kraftanstrengung, aber man hat jetzt nicht auf irgendetwas da hintrainiert, dazu hat man es zu wenig gemacht. Und ich hatte die Möglichkeit, in Wattenscheid eben weiterhin zu trainieren. Die Technik für Diskus, die dauert lange Zeit. Ich habe es ja auch, glaube ich, nie richtig reinbekommen. Und die Kugel – ja, ich habe sie gestoßen, aber überwiegend geworfen. Das heißt also, das hätte gar nicht gegolten. Mir ging es darum, dass ich die anderthalb Jahre gut überbrücke, dazu habe ich dann eben diesen Sport gewählt.“

  • … seinen Titel als „Mister Universum“

    „Der Arnold hatte dann schon 1972 in Essen gegen Sergio Oliva den Olympia Titel gewonnen. Das heißt, es gibt den ‚Mister Universum‘ Titel, und der bei den Profis kommt danach, wenn man dann noch weiter macht. Irgendwann kamen alle ‚Mister Universum‘ zusammen und haben dann den ‚Mister Olympia‘ erkoren. Und das war 1972 in Essen.
    Essen und das Ruhrgebiet war wirklich eine Hochburg des Bodybuildings. Auch unten in Bayern oder in Berlin gab es viele kräftige Jungs, die alle trainiert haben. Viele kamen aus dem Kraftdreikampf oder aus dem Gewichtheben und gingen später dann auch zum Bodybuilding. Ich habe zum Beispiel meine Meisterschaft damals im Deutschen Museum in München gewonnen – im Deutschen Museum wurde ich damals Deutscher Meister.
    In Tokio 1986 war ich der erste vom IOC getestete Meister. Es war der erste Bodybuilding-Wettkampf ‚Mister Universum‘ mit Dr. Manfred Donike aus Köln, dem legendären Doping Hunter, der aber auch die andere Seite kannte. Er war Radrennfahrer, hatte also auch gedopt und hat dann nachher die Seiten gewechselt und wurde zum Jäger. Er hat Ben Johnson und viele andere entlarvt. Und den haben wir 1986 gehabt. Die waren in Landshut bei der Qualifikation und auch in Tokio in Japan dabei. Das war mein vierter Anlauf. Beim ersten Mal 1982 wurde ich Dritter. Es war ein Riesenerfolg. Zum ersten Mal teilgenommen – Lee Haney, der dann später achtmal ‚Mister Olympia‘ wurde, wurde da das erste Mal ‚Mister Universum‘. Gunnar Rosbo mit einem einen Punkt Vorsprung zweiter und ich dritter. Und dann habe ich wieder ein Jahr später teilgenommen. Da gab’s Barry de Mey und Bob Paris. Die waren etwas kleiner, 1.82 Meter, 1.80 Meter – die waren harmonischer. Es dauerte, mir fehlte noch die Masse – wurde wieder Dritter. Dann ging ich zum dritten Mal ran. Habe mich dann verletzt an der Schulter und wurde nur Fünfter in Göteborg. Aber der Steinbock gibt natürlich nie auf. Dann habe ich ein viertes Mal teilgenommen, das war dann in Tokio Japan. Dort gewann ich dann die Weltmeisterschaft unter IOC Regeln.“

  • … Beintraining mit Rolf Milser

    „Ich habe damals auch immer noch Seminare gegeben und habe immer gesagt, wenn bei einem Seminar dann 400-500 oder über tausend Leute da waren: ‚Ich kann nur von meinen Erfahrungen sprechen. Ich bin kein Arzt, ich bin kein Trainer in dem Sinne. Ich kann euch nur sagen, wie ich trainiere.‘ Ich habe dann erzählt, dass ich eben Brust-Rücken trainiere, Schultern-Arme. Das ich überwiegend jede Muskelgruppe in der Woche, zweimal die Woche trainieren. Heute sieht das Training anders aus. Aber damals zum Wettkampf habe ich dann teilweise die letzten drei Monate zweimal am Tag trainiert, aber generell überwiegend auch nur einmal.
    Die Ernährung spielt eine wesentliche Rolle. Und ja, es galt sich halt zu motivieren. Meine schwache Partie waren am Anfang immer die Beine. Deshalb ging ich später auch zu Rolf Milser unserem Goldmedaillengewinner von 1984, der jetzt auch ein sehr erfolgreiches Hotel in Duisburg betreibt, wir waren befreundet. Und dann bin ich immer rausgefahren zu den Gewichthebern, weil die trainierten halt Beine. Und da war ich motiviert und musste dann trainieren. Da habe ich mir dann die Langhantel mit 220, 230 Kilo hier vorne draufgelegt und bin hoch- und runtergegangen und hab acht oder zehn Wiederholungen gemacht. Und wie Mohammed Ali schon sagte: ‚Wir fangen erst an zu zählen, wenn es wehtat.‘ Also nicht die ersten sieben oder acht und dann aufgehört, sondern wenn du aufhören wolltest, sage ich immer noch heute: ‚Wenn ihr aufhören wollt, dann müsst ihr erst beginnen, in allem was man tut.‘ Irgendwo kommt eine gewisse Grenze und meint, jetzt geht es nicht weiter, aber es geht immer weiter. Man muss nur den Willen dazu haben. Und so hat man Erfahrungen von den anderen Trainierenden, mit denen wir trainiert haben, übernommen.“

  • … seinen Einstieg in das Filmgeschäft und Bücherveröffentlichungen

    „Mit Götz habe ich 1988 meinen ersten Film, einen Tatort gemacht – ‚Gebrochene Blüten‘ hier in Duisburg. Keine große Rolle, aber eine, an die man sich erinnerte. Ich wog da 135 Kilo. Und er wurde gejagt und auf der Suche nach mir knallt der gegen meine Beine, weil er sich so duckt. Und ich nehme ihn hoch, habe einen Apfel im Mund, beiße den Apfel ab und gebe ihm links und rechts eine.
    Das mit dem Apfel war meine Idee gewesen. Denn dieser Apfel, der machte die ganze Szene noch cooler. Und so mit fing das dann an. Das war dann mit Götz George zusammen. Und dann ging das weiter.

    Und das kam eben dadurch, nachdem ich 1986 Weltmeister wurde, war ich ein Jahr später in München. Da habe ich meine Bilder genommen und bin zu den Bavaria-Studios ins Castingbüro gegangen und habe denen gesagt: ‚Wenn ihr Mal einen großen, starken Mann braucht, hier ist einer.‘ Und dann, sechs Monate später, riefen die an und sagten: ‚Wir brauchen einen für diese Rolle.‘ Dann habe ich gesehen: Du musst auf dich aufmerksam machen. Dein bester Promoter bist du selbst. Und das habe ich bis heute beibehalten. Ich habe dann damals auch ein Buch gemacht, das hieß: ‚Bodybuilding – die Faszination athletischer Körper‘. Das war beim Falken-Verlag wurde wirklich sehr erfolgreich damals und später auch weltweit verkauft. Und dann, über die Jahre hinweg, fragten immer wieder Menschen: ‚Moeller, warum machst nicht wieder mal ein Buch?‘ Und ich sage: ‚Du, die Übungen haben sich nicht verändert, die sind die Gleichen geblieben.‘ Aber ich habe jetzt in diesem Jahr während der Pandemie eins geschrieben, das heißt: ‚Erstma‘ machen‘. Bei uns im Ruhrpott wie man so sagt: ‚Hömma, erstma machen. Mach mal nicht so viele Sprüche, sondern zeig, was du kannst.‘ Das sind so die Sachen und daraus ist das Buch geworden. Es wurde auch ein Bestseller.“

     

Der Weg zum Bodybuilding

Aus der Schmuddelecke in den Mainstream

Vom Schwimmeister zum “Mr Universe”

Anabolika im Bodybuilding

Mediale Selbstvermarktung als “Mr Universe”


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format:

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Lasarzewski Bernd

Bernd Lasarzewski

Bernd Lasarzewski

*1956
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Sportklinik Hellersen

In Lüdenscheid werden Träume Wirklichkeit: An der Sportklinik Hellersen fand Bernd Lasarzewski seine berufliche Erfüllung. Als Chefarzt leitete der gebürtige Niedersache die Abteilung für Knie-, Ellenbogen-, Schulterchirurgie und Sporttraumatologie. Als Teamarzt der DFB-Frauen wurde er 2007 Weltmeister.

Kurzbiografie

  • Geboren 1956 in Spaden bei Bremerhaven
  • Studium an der Medizinischen Hochschule Hannover
  • Assistenzarzt am Kreiskrankenhaus Großburgwedel
  • Seit 1989 Sportklinik Hellersen (Assistenzarzt, Oberarzt, Chefarzt)
  • Seit 1989 Teamarzt von Rot-Weiß Lüdenscheid
  • 1993 Erster Einsatz für die deutsche Fußball-U20-Nationalmannschaft der Frauen
  • 1999-2021 Teamarzt der deutschen Fußball-A-Nationalmannschaft der Frauen
  • 2000 und 2004 Bronze bei den Olympischen Spielen in Sydney und Athen
  • 2007 WM-Titel in China

Bernd Lasarzewski über …

  • … den Weg von der Volksschule zum Medizinstudium

    „Mein schulischer und beruflicher Werdegang sind nicht so ganz glatt gelaufen, wie man sich das oft vorstellt. Der Bolzplatz, andere Sportarten und treffen mit Freunden war mir eigentlich zunächst einmal wichtiger als die Schule, sodass ich auf der Volksschule in Spaden bis zur neunten Klasse bleiben durfte oder musste. Irgendwann in der achten Klasse, ich denke so mit 14, 15 irgendwie in diesem Alter, hat es aber irgendwann dann doch mal „klick“ gemacht. Ich wollte doch in der Schule mehr erreichen, weil doch einige meiner Freunde in Bremerhaven dann auf dem Gymnasium waren, und ich war immer noch an der Volksschule in Spaden. Das hat mich dann irgendwann gestört. Und dann hat es einmal „klick“ gemacht und der Ehrgeiz hat mich gepackt. Ich wollte dann mehr erreichen und bin noch mal für die neunte und zehnte Klasse auf eine Realschule in Bremerhaven gegangen. Es gab dann die sogenannten Aufbaugymnasien. Man konnte dann von der Realschule aufs Gymnasium gehen. Ja, und das war dann mein nächster Schritt und 1976 durfte ich dann mein Abitur machen. Ich glaube, bis kurz vor dem Abitur war mir noch gar nicht so ganz klar, was ich beruflich gerne machen möchte. Ich wusste recht bald, dass es irgendetwas sein soll, wo ich etwas mit Menschen zu tun habe und nicht nur mit totem Material. Und dann entwickelte sich irgendwann doch kurz vor dem Abitur der Wunsch: Ich möchte Medizin studierenden.“

  • … erste Eindrücke aus dem Sauerland

    „Als Nordlicht war das schon etwas komisch in den Westen zu fahren. Ich kannte dieses ganze Ruhrgebiet und auch das Sauerland eigentlich nicht so wirklich damals. Ich bin mit etwas gemischten Gefühlen dorthin gefahren: Na ja, wie wird das denn sein? Du kommst auf einmal in eine hügelige Gegend, kommst aus dem absoluten Flachland. Zunächst einmal wusste ich gar nicht, wo Lüdenscheid liegt, musste mir das erst einmal erklären von der Sekretärin meines neuen Chefs erklären lassen. Na ja, ich habe den Weg dorthin auch gefunden. Und als ich dort war, hat es mich das Sauerland schon fasziniert mit seinen Hügeln, mit seinen Bergen, mit seinem auf- und abfahren und mit den Talsperren, die wir dort hatten. Das hatte ich mir ganz zu Anfang dann schon mal angeguckt. Bevor ich auch zugesagt habe, bin ich noch ein bisschen durchs Sauerland gefahren. Und irgendwie war es schön. Es war etwas anderes, und es hat mich dann doch begeistert. Und ich habe gesagt: Mensch, da möchtest du auf jeden Fall hin. Nicht nur wegen der Klinik, sondern auch wegen der Gegend.“

  • … den Beginn seiner Karriere als Mannschaftsarzt der DFB-Frauen

    „Anfang der 90er-Jahre hat unsere momentane Nationaltrainerin Martina Voss bei uns im Krankenhaus in der Personalabteilung gearbeitet. Und über sie habe ich dann den Kontakt zur Westfalenauswahl geknüpft. Sie war damals schon Auswahlspielerin und hatte auch in der Westfalenauswahl und in der Nationalmannschaft gespielt. Sie hat dann den Kontakt zu unserem damaligen Verbandstrainer Helmut Horsch für mich geknüpft. Der sagte, er würde sich sehr darüber freuen, wenn für die Verbandsauswahlmannschaften ein Arzt zur Verfügung stünde, der auch mitfahren würde zu den Spielen. Dann bin ich einmal mitgefahren. Wir haben uns sehr gut verstanden, der Helmut Horsch und ich. Und es passte, weil bei meinem ersten Einsatz, den ich hatte, hatten wir gleich eine schwerere Verletzung, die ich glücklicherweise auch gut versorgen konnte. Ja, das war so Anfang der Neunzigerjahre, ich glaube 1991, 1992. So um diese Zeit war das, dass ich dann begonnen habe, auch die Westfalen-Auswahlmannschaften der Männer und Frauen zu betreuen. Der nächste Schritt war dann eigentlich der Schritt zur U20 Nationalmannschaft der Frauen.
    Die U20 Nationalmannschaft war gerade in der Sportschule Kaiserau hier bei uns in Westfalen untergebracht. Die Torfrau hatte sich am Handgelenk verletzt. Sie ist schon verletzt angereist, es stand ein Spiel gegen Holland an. Und die damalige Trainerin Tina Theune-Meyer wusste nicht so richtig, wie sie mit der Torfrau umgehen sollte, ob sie sie einsetzen kann oder nicht. Und fragte dann den Helmut Horsch: ‚Wo gehe ich mit dieser Spielerin denn zum Arzt?‘ Und dann fiel ihm ein, dass ich noch da bin, rief mich dann an, ob ich nicht eventuell nach Kaiserau kommen könnte, um die Spielerin anzugucken. Das habe ich dann getan. Sie hatte auch Röntgenbilder von ihrem Handgelenk dabeigehabt. Das war auch sehr hilfreich und ich konnte dann relativ schnell eine schwere Verletzung ausschließen. Ich bin dann noch bei dem Training dageblieben, habe mich mit Tina Theune-Meyer noch eine ganze Zeit lang unterhalten und bin dann abends nach Hause gefahren. Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von ihr und sie fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit nach Holland zu fahren, um die Mannschaft zu betreuen.
    Eigentlich war für die Betreuung für das Spiel in Holland eine Kollegin aus Saarlouis, aus der damaligen Klinik des Nationalmannschaftsarztes der A-Nationalmannschaft-Männer, Heinrich Heß vor Ort. Aber sie war nicht da. Sie hatte kurzfristig abgesagt und dann bekam ich den Anruf von Tina Theune-Meyer. Sie fragte, ob ich nicht mitfahren möchte nach Holland zu diesem Spiel? Da habe ich natürlich sofort ‚ja‘ gesagt, auch das hat gepasst. Ich war zwar noch nicht fest im Kader drin, aber ich bin immer wieder angerufen worden in den nächsten Monaten, in den nächsten ein, zwei Jahren, ob ich nicht mal wieder die Betreuung machen könnte, weil die andere Kollegin aus Saarlouis mal wieder nicht konnte. Und ich glaube, ich habe dann nach anderthalb Jahren mal zu der Tina Theune-Meyer gesagt: ‚Wenn ich sowieso immer als Vertreter da bin, warum nimmst du mich nicht als ersten Mann in diese Mannschaft rein? Und lässt die Kollegin dann die Vertretung machen?‘ Und damit war ich der Arzt der U20 Frauen-Fußballnationalmannschaft.“

  • … die Rolle(n) des Teamarztes im Wandel der Zeit

    „An den Aufgaben, die man als Mannschaftsarzt bei den Mannschaften in den Neunzigern oder in den 2000er-Jahren hatte, hat sich einiges geändert. Ganz zu Anfang waren der Arzt und ein Physiotherapeut bei der Betreuung dabei. Und wir mussten uns dann auch um Ernährung und um andere Dinge mit kümmern. Das hat sich denn grundlegend in den 2020er-Jahren geändert. Dadurch, dass wir einen Koch bekommen haben, der auch die Frauenmannschaften immer begleitet, damit war die das Thema der Ernährung für mich schon nicht mehr dabei. Dann hat sich auch in den 2020er-Jahren sehr etabliert, dass wir Athletiktrainer bekommen haben. Das war früher auch Aufgabe des Arztes und der Physiotherapeutin, für das Athletiktraining da zu sein, für die Stabilisierungsübungen da zu sein, für Dehnübungen und für diese Dinge da zu sein. Das hat sich aber jetzt sehr geändert. Das ist jetzt Aufgabe der Athletiktrainer. Da hat es schon einen Wandel gegeben.“

  • … den Ablauf eines Länderspiels aus medizinischer Sicht

    „Die Vorbereitung auf ein Länderspiel beginnt ja schon deutlich, bevor wir uns treffen. Die Spielerinnen rufen mich oder die Trainerin an, wenn es irgendwelche Verletzungen sind, wenn es irgendwelche Probleme im Vorfeld gibt, bevor man sich dann als Mannschaft trifft. Dann bespricht man das am Telefon: ‚Ist das möglich, dass die Spielerinnen überhaupt eingesetzt wird? Oder sollte sie gar nicht eingeladen werden? Sollte sie ihre Verletzung zu Hause auskurieren? Oder ist die Verletzung nur eine Kleinigkeit, weil es nur eine Prellung oder ein kleiner Bluterguss ist?‘ Dann muss man entscheidend: Laden wir die Spielerin mit der Verletzung ein, ja oder nein? Das spricht man mit der Trainerin dann ab. Damit beginnt also meine Aufgabe schon im Vorfeld. Dann trifft man sich in der Regel drei, vier Tage, bevor das Länderspiel stattfindet. Es gibt dann die Trainingsvorbereitungen, das Training und taktische Vorbereitungen. Wir, die Physiotherapeuten und der Arzt sind als das medizinische Team immer mit dabei.
    Wir reisen am ersten Tag an, sogar vor der Mannschaft. Damit wir schon im Vorfeld alles vorbereiten und unsere Räume einrichten können. Wir machen unsere Teambesprechungen, denn die Physiotherapeuten haben manchmal noch andere Informationen, als der Arzt sie bekommen hat, sie sprechen dann mit ihren Kollegen aus dem physiotherapeutischen Bereich der einzelnen Bundesliga-Mannschaften. Wir treffen uns also vorher, um diese Dinge schon alle zu besprechen. Dann reist die Mannschaft an, dann gibt es einen Medizinercheck. Wir gucken noch mal, ob alles so weit in Ordnung ist, befragen die Spielerinnen, ob sie irgendwelche Schwierigkeiten, Probleme oder Verletzungen haben. Wenn ja, werden wir gucken, dass wir die kurieren, so gut es geht. Die Behandlungen sind dann in der Regel immer abends nach dem Abendessen. Dann ist Training, Vorbereitung auf das Spiel.
    Und was Besonderes ist immer der Spieltag. Da gibt es so ein paar Rituale. Wir haben so ungefähr drei Stunden vor dem Spiel immer unser „Matchmeal“. Da hat sich bei der Frauen-Nationalmannschaft eingebürgert, dass es grundsätzlich Spaghetti gibt und grundsätzlich Pfannkuchen. Dann fährt man circa zwei Stunden vor dem Spiel mit der Mannschaft ins Stadion, bereitet dort alles vor. Es gibt das Aufwärmen der Mannschaft. Wir sind mit draußen auf dem Platz, gucken dort natürlich auch zu, dass da nicht noch irgendetwas passiert, und dann raus auf die Bank, ab zum Spiel und hoffen, dass nichts passiert. Nach dem Spiel gibt es dann wieder die Untersuchungen der Spielerinnen. Alle, die kleine Blessuren haben, werden untersucht. Dann gibt es die Behandlungen, was auch immer notwendig ist, in der Hoffnung, dass nicht etwas Schlimmes passiert ist und ich mit der Spielerin ins Krankenhaus fahren muss. Dann sehen wir zu, dass wir die Spielerinnen so gut wie möglich medizinisch versorgen und nach Möglichkeit alle gesund wieder nach Hause in ihre eigenen Vereine entlassen.“

Wegmarke Großburgwedel

Lüdenscheid – Vom ‘Kulturschock’ zum beruflichen Passionsort

Ökonomisierung der Sportklinik Hellersen

Sportverletzungen und Behandlungsverfahren im Wandel


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Ulrich Breite

Ulrich Breite

Ulrich Breite

*1964
Vorstandsmitglied und Vorsitzender des SC Janus

Als Student schloss Ulrich Breite sich dem schwulen Volleyballverein VC Janus (heute SC Janus) an. Unter seiner Führung öffnete sich der Verein auch für lesbische Mitglieder. Als Mitglied der FDP-Ratsfraktion ist Breite Stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses der Stadt Köln.

Kurzbiografie

  • Geboren 1964 in Lüdenscheid-Hellersen
  • 1985-1993 Studium der Betriebswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft in Siegen und in Köln
  • seit 1989 Mitglied des VC Janus e. V.
  • 1994-2005 Erster Vorsitzender des SC Janus e. V.
  • seit 2004 Ordentliches Ratsmitglied der Stadt Köln
  • seit 2007 Ehrenmitglied des SC Janus e. V.
  • seit 2020 Zweiter Stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses der Stadt Köln

Ulrich Breite über …

  • … Homosexualität und Studienleben an der Universität zu Köln

    „Wer konnte denn überhaupt offen schwul leben, am Anfang der 80er-Jahre in der Universitätsstadt zu Köln? Es waren Studenten. Die ganze Sportbewegung ging von Studenten aus. Sie waren vom Elternhaus weg, waren also da aus der Kontrolle heraus. Die Nachbarn konnten nichts erzählen oder sonst irgendetwas. Also konnte man sich freier entwickeln. Und darum waren in dem Verein, in dem VC Janus, später SC Janus, in dieser Zeit über 80 Prozent Studenten. Und dadurch ist die Verbindung schon hergestellt. Das heißt, man traf sich auch an der Uni. Aber in meinem Studium spielte das überhaupt keine Rolle. Also ich weiß, früher nannte man das ‚die Klappen‘, die Toilettenanlagen, die sehr groß waren, haben eine Rolle gespielt. Für mich spielte das schon keine Rolle mehr. Aber das war auch bei Studenten noch so, dass man sich dort traf und sexuelle Kontakte hatte. Ich habe das nur durch die Einritzungen, die dort waren, gesehen.
    Wie gesagt, das spielte für mich keine Rolle. Dadurch war das für mich also getrennt. Also durch mein Studium BWL und Finanzwissenschaft hatte ich weniger Kontakt mit Schwulen als mit anderen Studenten aus anderen Fachrichtungen, mit denen wir uns in der Mensa getroffen haben. Die kannte man aus der Szene oder aber durch den Sport, den ich dann beim Janus gemacht habe.“

  • … seinen beruflichen Werdegang und Aufstieg zum Vorsitzenden des SC Janus

    „Ich habe beruflich in Bonn gearbeitet. Ich war vorher studentischer Mitarbeiter in der FDP-Bundestagsfraktion, bei einem Abgeordneten aus Brandenburg, Jörg Ganschow. Und da hat mich der Sprecher der FDP Gruppe aus den neuen Bundesländern gesehen, der selber im Wirtschaftsausschuss saß. Er fragte: Ob ich nicht sein hauptamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter und Büroleiter werde? Und das habe ich dann auch angenommen, was ich natürlich auch sehr schön fand, dass ich nicht Bewerbungen schreiben musste und ich irgendwo wieder auf dem Lande landen würde, sondern ich konnte in Köln bleiben. Ich habe in der Zeit dann den Vorsitz des SC Janus übernommen, und da passte das sehr gut rein. Das konnte ich auch sehr gut dort mit übernehmen. Und ‚mein‘ Abgeordneter hatte damit auch keine Probleme und mit meiner sexuellen Orientierung auch nicht. Auch nicht, dass ich aktiv beim SC Janus war und die Öffentlichkeitsarbeit betrieb.
    Wobei er selber ja aus Cottbus kam, also eine ganz andere Welt. Ich bin auch häufiger dort runtergefahren. Ich glaube, da war es nicht so einfach, für einen schwulen Mann zu leben. Aber er hatte damit überhaupt keine Probleme. Und das passte eigentlich auch zu der Bundestagsfraktion. Der Parlamentarische Geschäftsführer wurde ein Jahr später Jörg van Essen, der selber auch schwul war. Der war ja Generalstaatsanwalt gewesen, lebte es aber nicht so öffentlich. Aber ich merkte, dass da keine Probleme waren.
    Ich weiß noch, dass man mich fragte, wenn es darum ging ein Positionspapier zu haben, ob ich nicht was aufschreiben könnte, als es um die Angleichung von Ost- und West-Gesetzen, also früherer DDR-Gesetze und Gesetze der Bundesrepublik ging. Und das betraf auch den Paragrafen 175. Der in der Form abgeschafft worden ist. Das heißt, dass der Jugendschutz für Heterosexuelle und Homosexuelle gleich wurde. Das Schutzalter wurde gleich gemacht. Vorher war es ja so, dass nur schwuler Sex oder Homosexualität ausgeführt werden konnten, wenn man über 18 war. Aber bei einem 17- und einem 19-Jährigen hätte es schon Probleme geben können. Und das wurde jetzt angeglichen, genau wie bei heterosexuellen, mit 14 beziehungsweise 16 Jahren.“

  • … die Folgen des Wachstums des SC Janus

    „1992 bin ich in den Vorstand gegangen und 1994 wurde ich Vorsitzender. Jetzt kommen meine Lehrjahre. Wir hatten hier eine Zeit des massiven Wachstums, ich habe dadurch sehr viel gelernt.
    Normalerweise hat ein Sportverein drei Sparten. Also drei Sportarten, meistens Fußball und noch etwas dabei, und geht dann von den Bambini hoch, bis in die Seniorenklasse. Beim SC Janus war es zuerst Volleyball, man fing schon vor meiner Zeit damit an, aber bei mir ging es dann richtig damit los ein Mehrspartenverein zu werden. Aber halt nicht von Bambini bis zu Senioren, sondern in einer Altersgeneration, die plötzlich den Sport entdeckte. Das war ja nicht nur eine Kölner, eine deutsche, eine europäische Bewegung, das war eine weltweite Bewegung, die den Sport für sich entdeckt hat. Die haben gesagt: ‚Wir lassen uns das jetzt nicht mehr nehmen. Wir können auch jede Sportart betreiben. Und wir versuchen auch in den Liga-Betrieb reinzugehen.‘ Oder aber Sport zu machen, jetzt nicht nur um Krafttraining und Muskelaufbau zu machen, sondern Sport als Ausgleich und um zusammen Geselligkeit zu leben. All das spielte eine Rolle, dass der Janus zu Wachsen anfing und ich hineingeschmissen worden bin, in dieses Wasser.
    Hallen besorgen, mich mit neuen Sportarten auseinandersetzen, mit den Verbänden auseinanderzusetzen, die einen schwulen Verein nicht haben wollten. Das war nicht nur in Köln so. Auch die Vertretung wahrzunehmen, die Vertretung, wenn was passiert. Ist ja nicht so, wenn wir im Liga-Betrieb waren, als ob wir da immer mit freudigen Armen aufgenommen worden sind. Es gab auch Gewalt. Ich habe ja schon gesagt: Ich bin einer, der wenn er sagt: ‚Ich übernehme so etwas‘, auch die Verantwortung dafür sieht und das Verantwortungsgefühl hat, auch dafür geradezustehen. Wenn man Vorsitzender ist, muss man für seine Mitglieder auch geradestehen, insbesondere weil ich nicht von allen erwarten kann, dass sie so ein Coming-out hinzulegen, wie ich es gemacht habe.“

  • … den gesellschaftlichen Wandel der 90er-Jahre

    „In den 90er-Jahren gab es Parallelentwicklungen, die das schwul-lesbische Leben sehr erleichtert haben. Nicht nur in Köln, sondern bundesweit. Ein Schlaglicht ist sicherlich der Film ‚Der bewegte Mann‘, der in den 90er-Jahren herausgekommen ist. Der spielt auch in Köln und hat viel dazu beigetragen, gemeinsam mit den Comics von Ralf König. Die Comics von Ralf König wurden bei den hohen Auflagen nicht nur von Schwulen und Lesben, sondern auch von Jugendlichen gelesen, und sie durften die auch kaufen. Da hat sich etwas entwickelt. Gleichzeitig merkten wir, dass die Rosa Funken sich gegründet haben, also in den Karneval reingegangen sind. Die ‚Rosa Sitzung‘ kam, gegründet von Hella von Sinnen und Dirk Bach, im Gloria vom WDR aufgenommen, Highlights, muss man wirklich sagen. Es entwickelte sich da also parallel etwas. Gleichzeitig war auch der Janus da und hatte plötzlich so eine Entwicklung mit dem Cream-Team, das zu uns gekommen ist. Das waren Fußballer, schwule Fußballer, weil man ja sagte, dass Schwule keinen Fußball spielen können. Seit Hitzlsperger wissen wir es ja besser. Die haben viel dazu beigetragen, insbesondere, als sie dann 1994 in New York Gay Games Sieger geworden sind. Und das hat natürlich eine unheimliche Öffentlichkeitsarbeit auch in Deutschland, nicht nur in Köln gebracht.
    Und ich vergesse nie, das war in Köln Lindenthal, in Weiden auf der Bezirkssportanlage, da spielten sie gegen ein heterosexuelles Kneipenteam. Jedenfalls waren die Herren gekommen: Jetzt wollen wir mal zeigen, wie man Fußball spielt. Die hatten ihre ganze Familie mitgebracht und kam so richtig raus auf das Feld. Dazu muss man sagen, da waren wirklich im Cream-Team welche, die selber im Ligabetrieb schon gespielt haben. Und ich weiß es nicht mehr genau, die wurden dann 10:0 oder 11:0 geschlagen. Da gab es auch kein Handshake mehr. Die sind vom Feld geschlichen, weil ja die Kinder und Frauen dabei waren. Und in dem Zusammenhang fing es auch an, dass die den Come-Together-Cup gemacht haben. Ein Fußballturnier von dieser schwulen Mannschaft, das insbesondere aber dann von Andrea Stine organisiert worden ist, wo der Polizeipräsident Schirmherr war. Wo ganz verschiedene Gruppen zusammengespielt haben, die Polizei, die Drogenhilfe, die Feuerwehr, Medien, Stadt-Anzeiger-Redaktionsgruppe und alle anderen, die dann zusammenkommen, sozusagen von Schwulen organisiert. Da war man dann angekommen, das muss man sagen. Das waren alles die 90er-Jahre.“

  • … Umweltbedenken beim Ausbau von Trainingsmöglichkeiten

    „Man kennt die Bedeutung des individuellen Sportes schon sehr gut, weil man einfach sieht, dass viele zum Stressausgleich Sport machen. Ob sie morgens den Manager Joggen sehen oder abends Frauengruppen machen. Ich war ja dafür, weil die Laufszene mir gegenüber das angesprochen hat, eine beleuchtete Laufstrecke zu machen. Dann wurde auch Geld gesammelt, viele Spenden, und das ist dann ja verhindert worden wegen der Langohreule. Wo sich herausgestellt hat, dass sie am liebsten an Laternen nistet, aber das ist eine andere Sache. Aber es ist kaputtgegangen. Da sollte ja rund um den Adenauer-Weiher was passieren, in Köln Lindenthal im Stadtwald. Aber was das für ein Theater war. Da gibt es große Bedenkenträger.
    Wir haben eine neue Entwicklung, dass die Naturschützer den Sport als Gegner ansehen, als Gefahr ansehen. Sie müssen sich vorstellen: Ich habe durchgesetzt, dass am Fühlinger See die Beleuchtung in den Winter und Herbstmonaten verlängert wird. Also morgens und abends, weil dort gerade sehr viele ihr Lauftraining machen. Und sie müssen wissen: Es ist auch ein Sicherheitsbedürfnis gerade von Frauen, dass das ausgeleuchtet ist. Tatsächlich musste dort, es ist kein Scherz, es musste ein Gutachten gemacht werden, ob die Verlängerung des Lichts Einfluss auf die Fische im Fühlinger See hat. Und wenn sie dann schon damit konkurrieren müssen. Also jetzt nicht nur bei einer Laufstrecke, weil das hatten die Frauen, die die Laufgruppen dort haben, gefordert.
    Wir haben da manche Laternen, das ist schon sehr gut, und dann fehlen wieder zwei, aber man kann das nicht zusammen verbinden.
    Da sieht man, dass wir noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten haben. Ich bin gerade dran und schaue mir das an. Es gibt jetzt Licht, das nur nach unten strahlt, nicht so hoch ist, insbesondere auch für Insekten nicht mehr gefährlich ist und Anwendung findet.
    Das Gleiche ist die Diskussion um Kunstrasenplätze für Sportvereine. Für Fußballvereine ein Muss, sonst laufen die Kiddies weg, das weiß man einfach. Wir sind ja schon so weit gegangen, dass wir jetzt, wenn wir die Drainage eingebaut haben, elektronische Siebe installieren, damit von den feinen Partikeln überhaupt nichts in die Natur hineinkommt. Das kostet viel Geld, aber das investierten wir jetzt, damit es das auch weiterhin in der Form gibt.
    Die Bewegungsparcours sind absolut ‚in‘ und ich hatte mich sehr dafür eingesetzt. Gemeinsam mit der Grün Stiftung in Köln, die ist von den Adenauer-Enkeln gegründet worden. Dabei geht es um den Stadtwald, den Konrad Adenauer ja sozusagen mitgegründet hat, dass der zu erhalten ist, und die setzen auch die Sportparcours ein und die werden sehr gut angenommen. Ich hatte es mir vorher angeguckt, weil ich Angst hatte, dass wir die gleiche Geschichte wie mit den Trimm-Dich-Pfaden erleben. Die waren ja in den 70er-Jahren unglaublich ‚in‘ und die sind dann alle verrottet. Okay, jetzt gibt es anderes Material. Aber es ist auch ganz anders. Was jetzt dort benutzt wird, damit kann man auch ganz anders trainieren. Das klappt ganz hervorragend. Ich freue mich, dass die Skateparks hier wachsen. Da war es mir wichtig, dass dafür auch Geld in die Hand genommen wird.“

  • … Homosexualität im Profisport

    „Also ich glaube nicht, dass wir in Deutschland  wieder in die Neunziger zurückkommen oder noch viel weiter. Homosexualität hat sich etabliert. Wir haben noch viele Aufgaben zu erfüllen. Ich fand es toll, dass bei der Fußball-Europameisterschaft mit den Regenbogenfarben die Diskussion auch stattgefunden hat. Da ist nicht einfach gesagt worden: ‚Ach, das ist ja toll, ja super!‘ Und dann gehen wir weiter. Es wurde aber auch gesagt: ‚Muss das sein?‘ Dadurch kann man ja wieder argumentativ ins Gespräch kommen. Das finde ich auch sehr wichtig. Sie müssen schauen, als ich in meiner Beschreibung war, da haben viele ihr Coming-out mit 20 gemacht, im Studentenalter. Wo sind wir heute? Die wenigsten machen das mit 20, eher so mit 14, 15, 16. Wir haben in Köln sogar das ‚Anyway‘, was sich immer weiter erweitert, entwickelt und vergrößert, für schwul-lesbische Jugendliche oder jetzt sogar Transgender, weil sich da auch was verändert hat. Das heißt, mit der Pubertät sozusagen schon das Coming-out zur sexuellen Orientierung. Für mich heißt das auch, das merkt man auch, dass die dadurch auch viel partnerfester werden, als das vielleicht meine Generation ist. Das hat vieles damit zu tun. Das heißt, sie werden auch selbstbewusster. Auch in der Schule ist das Selbstbewusstsein da. Es gibt sicherlich Stadtteile, wo das noch ein größeres Problem ist. Das hängt auch mit der soziokulturellen Zusammensetzung zusammen.
    Aber jetzt sind sie schon so selbstbewusst. Und jetzt sind sie ein Sportler und ein Typ und werden damit konfrontiert, dass sie in ihrem Sport, wo sie sonst überall frei leben können, nicht mehr frei leben können. Da haben wir doch eine Herausforderung, und die Herausforderung sehe ich.
    Wir erleben in Fußballstadien, was für tolle Talente wir haben, die aber nicht meine Hautfarbe haben. Die aber vielleicht, wie ich, in Deutschland geboren sind. Also man sagt, weil wir hier in Köln ein Schmelztiegel sind: ‚Das ist kölscher Adel.‘ Die Jungs werden, wenn sie in Köln geboren werden, kölscher Adel. Und dann erleben wir trotzdem die Affenrufe im Stadion oder sonst etwas.
    Und viele sagen: ‚Du kannst dich nicht trauen im Fußball, dich während deiner Karriere zu outen.‘ Das sagen welche, das sagt Philipp Lahm. In der kurzen Karriere, wenn du vielleicht danach ausgesorgt hast, jetzt dieses Wagnis einzugehen? Und wenn wir von den jungen Menschen reden, soll ich denen das jetzt sagen, was eigentlich pragmatisch richtig ist? Die aber doch ganz anders in das Leben reingegangen sind. Mit 14 schon ihr Coming-out und ihren Freund/ihre Freundin haben und vielleicht einen Lebenspartner und gehen dann mit 19 in den Profifußball rein. Das zusammenzubringen wird nun eine große Herausforderung sein. Die haben wir noch nicht gelöst.
    Ein Tabuthema: Formel-1. Sie gibt es dort, was bekannt ist. Aber bei den Sponsorengeldern wird dann irgendwie eine Frau beiseitegestellt, die Vita geschaffen, und das lohnt sich. Das muss man sehen. Also, ich bin der Meinung, da ist noch einiges zu machen. Wobei ich auch sagen muss: Wir mussten kämpfen und auch die junge Generation muss kämpfen. Wir können die schützende Hand noch drüber halten mit unserer Erfahrung. Aber im Grunde genommen sind wir Kämpfer und das müssen sie dann auch selber machen.“

Die Kölner ‘Offenbarung’

Coming-out des VC Janus

Aufnahmegesuche in die Fachsportverbände


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format:

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