Josef Klenner
*1949
Präsident des Deutschen Alpenvereins
Als Funktionär erklomm der „Flachländer“ Josef Klenner ungeahnte Verbandshöhen: Vom Jugendreferenten im westfälischen Beckum bis an die Spitze des deutschen und europäischen Bergsports.
Kurzbiografie
- Geboren 1949 in Wadersloh
- 1969-1973 Studium Verfahrenstechnik
- 1993-2016 Management im Industrieanlagenbau ThyssenKrupp, davon 2007-2016 Senior Executive Management
- Seit 1974 Mitglied der DAV-Sektion Beckum
- 1977-1980 Jugendreferent der DAV-Sektion Beckum
- 1980-1992 Vorsitzender der DAV-Sektion Beckum
- 1988-1992 Vorsitzender DAV-Landesverband NRW
- 1992-2005 Präsident Deutscher Alpenverein
- 1994-2005 Council-Mitglied der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA)
- 2004-2011 Präsident Club Arc Alpin
- 2010-2022 Präsident Deutscher Alpenverein (2. Amtszeit)
- Seit 2012 Mitglied Management Committee (früherer Name: Council) der UIAA
- Seit 2023 Erster Ehrenpräsident in der Geschichte des DAV
- Seit 2023 Präsident der European Union of Mountaineering Associations
Interview-Ausschnitte
„Anfang der 1970er-Jahre, als ich diesen diese Kletterausbildung in der privaten Bergsteigerschule hinter mir hatte, kam die Frage auf: ‚Wohin gehen wir jetzt?‘
Ich habe da Leute kennengelernt, mit denen ich dann später zusammen klettern gegangen bin. Und da war dann die Meinung: ‚Ja, Alpenverein, da gibt es ja Hütten, die gehören dem Alpenverein. Und wenn man auf die Hütte will, ist man besser bedient, wenn man Mitglied im Alpenverein ist, weil da gibt es einen Rabatt auf die Übernachtung und solche Dinge.‘
Das war so der erste Gedanke hin zum Alpenverein. Ich bin dann 1974 in den Deutschen Alpenverein eingetreten, in der Sektion Beckum vor Ort. Und da ich ja ehrenamtlich immer irgendwie vorbelastet war, hat es nicht allzu lange gedauert, dann war ich Jugendreferent in einer sehr kleinen Sektion gewesen, mit damals knapp 200 Mitgliedern.
Aufbruch hat in der Sektion seinerzeit tatsächlich stattgefunden, denn die Sektion hatte Ende der 1960er-Jahre gut die Hälfte Mitglieder verloren, weil die Skifahrer und Skiläufer im Alpenverein, die durften dann nicht mehr bei westdeutschen Skimeisterschaften starten, sondern mussten Mitglied im Westdeutschen Skiverband werden. Und das hat dazu geführt, dass in der Sektion alle, die irgendwas mit Skilaufen zu tun hatten, auf einmal ausgetreten sind. Und zurückgeblieben sind knapp 50 % der Mitglieder. Das war Ende der 1960er-Jahre, dass die 1970er-Jahre davon geprägt waren, ein neues Sektionsleben zu generieren, eine Jugendgruppe zu eröffnen und vermehrt Klettern anzubieten, im Sauerland oder Hönnetal oder auch in der Eifel sowie Übungsleiter zu bekommen. Also das war wirklich Aufbruch, den wir da in den 1970er-Jahren selber initiiert und auf den Weg gebracht haben.
Es war das Interesse am Bergsteigen, was im Vordergrund stand, also am Wandern, am Bergsteigen, am Klettern. Wir haben in der Sektion auch heute noch viele Mitglieder, die wenig Interesse an den ganz hohen Bergen haben, die aber dann das gesellschaftliche Angebot der Sektionen angenommen haben und zum Wochenende zum Wandern mitgefahren sind.
Gerade die Jüngeren haben sich dann mehr aufs Klettern spezialisiert oder fokussiert. Es hat in den Wintermonaten auch Vortragsveranstaltungen gegeben, über Bergtouren, auch von Extrembergsteigern, die dann in die Sektionen gekommen sind und dort Lichtbildvorträge gehalten haben. Also das war dann mehr der gesellschaftliche Teil, der im Winter dann etwas stärker stattgefunden hat. Skilaufen im Winter, Langlaufen weniger. Aber Langlaufen gehörte schon damals zu den Aktivitäten.“
„Es gab praktisch keine Schnittpunkte zum organisierten Sport, weil Bergsteigen und Klettern Wettkämpfe nicht kannte. Bis Ende der 1980er-Jahre hat es keine Wettkämpfe gegeben in Deutschland. Ich würde nicht als Wettkampf bezeichnen, wenn zwei Extrembergsteiger darum gekämpft haben, wer zuerst eine bestimmte Route oder einen Gipfel bestiegen hat. Aber das ist ja zumindest kein Wettkampfsport im Sinne sportlicher Wettkämpfe.
Ich glaube, 1988 gab es in München den ersten Kletterweltcup und das war so eine Initialzündung, die in den ganzen Verein reingestrahlt hat. Im Ausland war das vor allen Dingen in Frankreich, auch in Russland stärker verbreitet. Und das hat so viel Interesse bei den Kletterern in München. Ich bin damals auch da gewesen, habe mir das angesehen. Das hat hervorgerufen, dass sie gesagt haben, sie wollen es unbedingt auch machen. Und damit ist so ab 1988 der Wettkampfgedanke in den Alpenverein hineingekommen. Das hat eine sehr schwierige interne Diskussion hervorgerufen, weil eben der klassische Kletterer, der die Wände der großen Berge klettern wollte, sich schon in gewisser Weise als elitären Sportler gesehen hat. Wir richten uns nicht nach der Stoppuhr und nach Zentimetern oder Sekunden, wir betreiben eine Sportart, die ist mehr als nur Zeit geteilt durch Weg oder etwas in der Art.
So gesehen hatten wir hier in Nordrhein-Westfalen zu dem Zeitpunkt nur durch persönliche Kontakte oder persönliche Bekanntschaften Kontakte zu Sportorganisationen.
Bei der Gründung des Landesverbandes spielte diese Debatte keine Rolle, aber kurz danach. Bei der Gründung ging es darum, die Naturschutz- und die Klettersperrungen zu bearbeiten, um dort voranzukommen, um verlässliche Lösungen mit den Naturschutzverbänden und mit den unteren Naturschutzbehörden zu bekommen.
Ich war sehr stark engagiert in dem Arbeitskreis Bruchhausen. Und dann als Landesverbandsvorsitzender in allen dreien, weil ich das für extrem wichtig gehalten habe, dass wir auf Verständnis stoßen. Es ging nicht darum, rücksichtslos die Felsen von allem, was dort noch an Flora vorhanden war, zu reinigen, damit möglichst viele Kletterrouten entstehen. Es ging darum, die traditionellen Dinge, die wir über Jahrzehnte kannten, zu erhalten oder auch Alternativen zu finden. Und die Alternativen? Das kam dann schnell danach, indem man auf Steinbrüche ausgewichen ist, obwohl das auch nicht erfolgreich war am Anfang, wie man dann gesehen hat.
Als Landesverband sind wir zumindest als Gesprächspartner akzeptiert worden. Ich erinnere mich an Gespräche mit der Bezirksregierung Arnsberg als Landesverbandsvorsitzender, die wohl nicht möglich gewesen wären, wenn es den Landesverband nicht gegeben hätte. Ich erinnere mich auch die internen Dinge, an die Mitgliederversammlung, wo wir die Sektionen dafür motivieren konnten, sich dort stärker finanziell zu engagieren. Weil da entstehen ja Kosten und wenn es nur ein paar Reisekosten sind, aber Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen usw. auch die Bereitschaft, Ehrenamtliche zur Verfügung zu stellen, um diese Dinge mit zu unterstützen. Denn wenn man eine Regelung erreicht, dann muss man sie auch umsetzen. Und da fängt dann die eigentliche Arbeit erst an.
Ein Papier zu unterschreiben, wo vereinbart wird, was erlaubt ist oder was nicht erlaubt ist, ist nur der erste Schritt, nicht immer der einfachste. Aber wenn es dann da ist, dann muss man die Konzepte umsetzen, muss die Menschen finden, die das bearbeiten und mittragen. Und man muss dann natürlich auch die Informationen an die Kletterer und an die Interessierten rausgeben, damit das funktioniert.“
„Es gab ja auch noch die zweite internationale Ebene, das ist die UIAA. Da war ich quasi als erster Vorsitzender oder Präsident des DAV von Anfang an dann bei den Generalversammlungen dabei. Und der Deutsche Alpenverein, seinerzeit schon als größter Verband weltweit, hat immer einen Sitz im Council, heute heißt es Management Committee, also der erweiterten Führungsebene gehabt. Und ich bin dann ab 1994 schon Mitglied dort gewesen, bis auf ganz wenige Unterbrechungen bis heute noch.
CAA, das bot sich so an, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, ist es schwierig, genügend ehrenamtliche Personen für die Spitzenämter zu finden, auch international.
Ich kann Ihnen nicht sagen, warum das so ist, aber das stellt man immer wieder fest, auch in diesen Tagen wieder. Also auf der Vereinsebene finden Sie eher Ehrenamtliche, wenn Sie Ihnen sagen können: ‚Hier ist ein Projekt, da suche ich jemanden dafür. Und hast du nicht Interesse?‘ Und dann macht er das. Und dann weiß er nach 2, 3, 4, 5 Jahren ist das abgeschlossen und dann ist die Aufgabe beendet. Jemand für den Vorsitz einer Sektion oder für den Deutschen Alpenverein oder für den internationalen Verband zu finden, bedeutet erst mal viel Arbeit und mindestens eine Amtszeit. Meistens reicht das nicht, es ist eigentlich zu unüberschaubar. Und deswegen findet man auf Bundesebene im Alpenverein zwar Kandidaten, aber die stehen nicht Schlange. Und international ist es das Gleiche.
Ich habe natürlich gesehen, was nach meiner ersten Amtszeit passiert ist. Ich bin vorher im Deutschen Alpenverein gut vernetzt gewesen und auch während der Zeit, als mein Nachfolger dann für fünf Jahre Präsident war. Ich möchte das nicht im Einzelnen bewerten, aber da haben sich Entwicklungen auch intern wohl etabliert, die vielleicht auch zu sehr auf die persönliche Ebene gerutscht sind. Und das hat dann dazu geführt, dass er seine Amtszeit nicht beendet hat und ich dann wieder angesprochen worden bin von mehreren Personen, ob ich mir noch mal vorstellen könnte, aktiv zu werden. Ich sehe eine Motivation darin, dass ich über Eigenschaften verfüge, Menschen zusammenzuführen und während meiner vorherigen Amtszeit wirklich einen Konsens und ein gutes Team hatte.
Um es mal so zu sagen: Geplant habe ich natürlich eine erneute Amtszeit von vier Jahren. Ich bin für vier Jahre gewählt worden, 2010. Wir haben dann hinterher, ich glaube, 2012 war es, noch mal eine Satzungsänderung eingeführt, wonach eine Begrenzung der Amtszeit eingeführt wurde, also auf maximal zwölf Jahre. Ja, dann sind es zwölf Jahre geworden.
Das Leitbild hat Orientierung geschaffen. Das kann man deutlich messen. Wir haben anhand der Kerninhalte des Leitbildes die verschiedenen Bereiche im DAV gezielt ausgebaut. Das betraf den Sport genauso wie den Naturschutz oder auch die Kulturkommunikation. Da hat das Leitbild wirklich eine orientierende Funktion gehabt. Es ist natürlich nur ein Leitbild und muss mit Inhalten gefüllt werden. Das war dann die Aufgabe, die wir sehr schnell angegangen sind. Und die haben das Leitbild im letzten Jahr renoviert, um es mal so zu sagen, fortgeschrieben. Wir haben es noch kürzer formuliert als das Vorangegangene, weil wir der Meinung sind, die Details, sei es zum Klimaschutz oder auch zum Wettkampfsport, die gehören nicht ins Leitbild rein. Auch nicht, wie die Hütten zukünftig unterhalten werden sollen. Das Leitbild soll nur die Richtung formulieren, die gewollt ist, die wir sehen wollen. Und so gesehen hat das Leitbild dann schon deutliche Spuren in den Strukturen, in den Aktivitäten hinterlassen.“
„Es hat eine gewisse Zeit gedauert, bis der Wettkampfsport in den Sektionen angekommen ist. Es war so eine Top-Down-Entwicklung. Wir haben angefangen mit internationalen Wettkämpfen im Deutschen Alpenverein, bevor wir eine deutsche Meisterschaft hatten. Mittlerweile gibt es nicht in die ganz kleinen Sektionen, aber in den mittleren Sektionen Sektionsmeisterschaften, Kids Cups, Jugend und Erwachsene. Also es hat sich auch in den Sektionen an der Basis etabliert, der Wettkampfsport und auch Nordrhein-Westfalen, sie haben einen eigenen Landeskader seit ein paar Jahren auch in allen Altersklassen. Also man sieht, der Wettkampfsport hat sich im Deutschen Alpenverein wirklich etabliert und hat festen Boden unter den Füßen. Natürlich ist der Breitensport größer, aber das hat man in anderen Sportarten ja auch. Und es gibt ja keine Rivalität zwischen Breiten- und Wettkampfsport im Deutschen Alpenverein, den sehe ich nicht. Obwohl ja immer mal der eine oder andere Sektionsvorsitzende sich darüber beklagt, dass der Wettkampfsport doch relativ kostspielig ist und ob man da nicht unter Umständen weniger investieren könne. Zumal die Bundesförderung seit anderthalb Jahren ausgefallen ist. Aber infrage stellen sie es nicht als solches.
Die Aufnahme in die Olympischen Spiele war gar nicht so schwierig, glaube ich. Es hat natürlich ein paar Skeptiker gegeben, die der Meinung waren, jetzt wird alles kommerzialisiert. Wir dürfen uns nicht von dem negativen Image des IOC anstecken lassen, um es mal vorsichtig zu formulieren. Aber ich glaube, wir haben mit dem Konzept, was wir dann entwickelt haben und präsentieren konnten, auch in den Jahreshauptversammlungen immer Zustimmung bekommen.
2010 ist in Osnabrück auf der Jahreshauptversammlung zum erklärten Ziel beschlossen worden, dass der DAV anstrebt, an Olympischen Spielen teilzunehmen.”
„Also die Sektionen sind ja erst mal eingetragene Vereine mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie entscheiden also selbst über ihre Aktivitäten. Sie bekommen natürlich Unterstützung von uns von der Übungsleiterausbildung, Digitalisierung bis hin zu anderen Dingen, damit sie ihr Geschäft möglichst gut und effektiv leisten können. In der Jahreshauptversammlung haben Sie alle Stimmrecht und dort ist das Stimmrecht eben nach der Größe verteilt. Es gibt also pro Mitglied eine Stimme in der Jahreshauptversammlung und dann haben eben die kleineren Sektionen weniger Stimmen als die ganz großen. Das hat sich über die Geschichte seit der Wiedergründung 1951 bis heute so entwickelt und da gibt es auch keine Diskussion darüber, das zu ändern, weil das in etwa die Entwicklung widerspiegelt.
Was die Bedeutung der Sektionen Nordrhein-Westfalen betrifft, so sind sie eben schon mittlerweile sehr bedeutungsvoll, auch in der öffentlichen Wahrnehmung, weil der Klettersport in Nordrhein-Westfalen sich ja über die letzten zehn Jahre vor allen Dingen massiv entwickelt hat, auch nach außen hin wesentlich mehr sichtbar geworden ist. Ich denke da vor allen Dingen auch an die eröffneten Klettergebiete in Steinbrüchen. Wo die Sektionen stillgelegte Steinbrüche für den Klettersport erschlossen haben, was in der Öffentlichkeit auch sehr publik geworden ist, was auch in Abstimmung mit den Naturschutzorganisationen und mit den Naturschutzbehörden gemacht worden ist. Da zeigt sich schon, dass der Klettersport und damit auch die Sektionen in Nordrhein-Westfalen neben dem Wettkampfsport auch in der Tagespresse dann präsent ist.“