Rita Drees
*1942
Erfolgreichste Amateur-Trabrennfahrerin der Welt
Nur sechs Tage nach ihrer Amateurfahrerprüfung in Gelsenkirchen stand die gebürtige Westfälin das erste Mal auf dem Siegerpodest. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Im Laufe ihrer Karriere brachte es Rita Drees zu erstaunlichen 2.432 Siegen im Sulky.
Kurzbiografie
- Geboren 1942 in Münster
- 1961-2006 Kauffrauliche Angestellte im heutigen Hauptverband für Traberzucht e. V. in Bonn und später Kaarst (Zuchtabteilung)
- 1965 Amateurfahrerprüfung in Gelsenkirchen
- 1965-2020 Amateurfahrerin im Trabrennsport (mit 2.432 Siegen)
- 1966-2001 Insgesamt 13-fache Siegerin der ‘Juwelier-Michels-Perlenkette’ in Dinslaken
- 1970-1976 Jeweils bundesdeutsche Championesse der ‘Damen-Amateurfahrer’
- 1976 und 1980 Jeweils (Amateur-)Europameisterin
- 1978 Erstmalige Austragung eines geschlechtsübergreifenden Championats: Mit Co-Gewinner Hans Abel wird Drees sogleich die erste Championesse des bundesdeutschen Trabrennsports
- 1978-2009 Insgesamt 14 Amateurfahrer-Championate
- 1981 Silbernes Lorbeerblatt
- 2003 Deutsche Meisterschaft
- 2019 Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Trabrennsports
Interview-Ausschnitte
„An die Zeit in Münster erinnere ich mich eigentlich sehr wenig. Ich bin da zwar geboren, das war noch im Krieg, der Krieg hat ja 1945 erst aufgehört. Und ich habe auch das nur überlebt, weil meine Eltern mich, als ich zwei Jahre alt war, nach Everswinkel gebracht haben. Da war der elterliche Hof meiner Mutter, ihre jüngste Schwester war noch dort und die hat mich mehr oder weniger dort großgezogen.
An diese Zeit aus Münster erinnere ich mich sehr wenig, da war ich erst zwei Jahre alt.
An die Zeit in Everswinkel, wo ich dann aufgewachsen bin, zur Schule gegangen bin, daran kann ich mich sehr gut erinnern. Und das war eben wie das früher auf dem Land so war. Da war ein Hof, der außerhalb lag, die nächste Schule und die nächste Pinte, wie man so schön sagt, waren drei Kilometer weit weg.
Da bin ich dann eben mit Pferden aufgewachsen und daher kommt auch die Passion. Auf diesem Hof wurde schon lange Traberzucht betrieben. 1906 hat mein Großvater damit angefangen und sein Sohn, der den Hof geerbt hat, hat das weiter gemacht. Der hat aber auch zunächst geritten und war dann Trabrennfahrer.
Es war ein ganz normaler landwirtschaftlicher Betrieb, wie man ihn früher hatte, wo speziell natürlich die Traberzucht den Vorrang hatte. Aber es gab genauso Kühe, Schweine, Hühner, Gänse. Also alles, was damals dazu gehörte. Es gab eben noch keine Massentierhaltung in dem Sinne, wie es das heute gibt, sondern das waren zehn, zwölf Kühe und 30 Schweine. In diesem Umfeld war das halt ganz was anderes als das, was heute in der Landwirtschaft los ist.
Im Grunde bin ich mit Pferden groß geworden, daher stammt auch die Passion. Ich habe sehr früh schon, als ich zwölf, 14 Jahre alt war, gelernt, mit den Pferden umzugehen und das hat sich nachher immer wieder bemerkbar gemacht.
Mein Großvater war ein Fan, wenn man das so sagen kann, von schnellen Pferden im Wagen. Also er hat nicht in dem Sinne geritten oder so was, sondern er ist immer gefahren. Und zu der Zeit gab es noch keine Autos und durch diesen Sport ist dann auch sein Sohn dazugekommen. Die Zucht wurde immer weiterentwickelt und die Pferde, die waren im Wagen immer noch schnell.
Am Anfang waren die Leute, die sonntags morgens zur Kirche fuhren, beleidigt, wenn er mit einem Traber daran vorbei fuhr, wenn er woanders halt schneller war. Und dadurch ist das aber auch entstanden, dass die Zucht weiterentwickelt wurde, dass sein Sohn das weitergemacht hat. Damals war es umgekehrt, wie es heute ist. Im Turniersport gab es einen Ehrenpreis und wenig Geld und der Sohn hat dann angefangen und hat auf C-Bahnen Rennen gefahren. Und wenn er dann sonntags gewonnen hat und hat 300 Reichsmark mit nach Hause gebracht, dann durfte er weitermachen.“
„Ich denke, dass das Interesse am Trabrennsport mehr mit den Menschen, die da lebten, zusammenhing. Denn es ist ja so, der Krieg war zu Ende. Und ich weiß mal von einem Reporter, der bei uns regelmäßig bei den Trabrennen war, der sagte: ‚Als wir jung waren, gab es nur zwei Dinge sonntags. Das eine waren Tauben und das andere waren Trabrennen.‘
Da gab es auch in dem Sinne den Fußball noch nicht so im Ruhrgebiet. Und dadurch, dass viel gewettet wurde auf den Rennbahnen, sind diese Bahnen in Westdeutschland auch groß geworden. Ein Bezugspunkt zum Trabersport war sicherlich in erster Linie das Wetten. Sehr viele sind dann zur Rennbahn hingegangen, um da zu wetten. Aber eben auf der anderen Seite auch der Bezug zum Pferd, weil die Unterhaltung eines Trabers damals relativ kostengünstig war. Also es waren ganz normale Bäcker und Metzger, die sich ein Pferd halten konnten und damit gut über die Runden kamen und dann an Rennen teilgenommen haben. Und dadurch kam auch der Bezug zum Pferd immer mehr.
In der Öffentlichkeit wurde im Grunde relativ wenig berichtet. Es ist im Endeffekt immer gejammert worden, dass andere Sportarten in den Medien viel besser vertreten waren. Und bei uns war immer der Galopprennsport der große Bruder. Die Unterhaltung eines Galoppers war wesentlich teurer und komplizierter. Das Pferd verlangte viel mehr von seinem Umfeld als ein Traber, der relativ genügsam ist. Also der Trabrennsport stand meistens somit auf der Verliererliste und das war dann auch die Zeit, wo das losging, dass sehr viel über den Fußball berichtet wurde. Und wenn ich so daran denke, es wurde auch sehr viel Leichtathletik übertragen, diese großen Leichtathletiksportfeste oder so was. Also das war das, was dann in den Medien ganz egal jetzt ob Zeitung oder nachher im Fernsehen auch mehr rausgebracht wurde.
Versuche, mehr Medienarbeit zu leisten, die gab es eigentlich immer. Das waren auf der einen Seite die Rennsekretäre, also die Leute, die bei den Rennvereinen verantwortlich waren, die das versucht haben und dann auch die Vorsitzenden vom Hauptverband. Man hat dann versucht, zum Beispiel den Einlauf vom Derby in den Tagesthemen abends zu zeigen. Das war dann schon ein Riesenerfolg, aber im Grunde war das immer relativ wenig.“
„In den 1980er-Jahren lief es eigentlich noch gut. In den 1990er-Jahren ging es noch, aber da begann das dann, dass die Umsätze nicht mehr so stark waren. Das waren ja immer diese Vergleichszahlen vom Jahr vorher zum anderen Jahr hin und das sich da dann ein leichter Rückgang bemerkbar machte. Und das war dann auch damals die Zeit, wo weitaus die meisten Renntage stattgefunden haben. Wir hatten zum Beispiel hier im Ruhrgebiet fast an jedem Tag Rennen. Ausgenommen war damals mittwochs, aber der eine Renntag wie der andere. Das waren so die standard Renntage.
Im Grunde konnte ich den Beruf und das Trabrennfahren ganz gut vereinbaren. Wichtig ist, dass man ein bisschen auf seine Gesundheit achtet und sich nicht hetzt. Das war immer sehr sehr wichtig. Wenn ich zum Beispiel zum Rennen musste, dass man geguckt hat, also im Büro bis 4:30 Uhr meistens oder 5:00 Uhr, je nachdem und dann was gibt der Verkehr her. Und dann muss ich natürlich sagen, ist uns oft zugutegekommen, dass das Amateurfahren oft das letzte Rennen war. Dann konnte man die größten Staus, Autobahnkreuz-Kaarst usw. umgehen und war dann trotzdem rechtzeitig zur Stelle.
Training war eigentlich weniger. Die Zeit war nicht da. Wichtig war immer als Fahrer oder Fahrerin, dass man die Konkurrenz kannte, dass man wusste, wie die einzelnen Pferde einzustufen sind, wo die Stärken oder auf der anderen Seite und dann auch die Schwächen liegen.“
„Eine Zeit lang wurden keine Rennen gefahren und dann, als es wieder losging, praktisch ohne Publikum. Es durften die Aktiven auf die Bahn. Also es war so, dass an der Pforte jemand saß, der hatte eine große Liste von den Leuten, die angemeldet waren. Das waren die Trainer und die Pfleger. Und wenn, dann noch ein Fahrer oder so was. Ich habe das ein, zweimal miterlebt, bin dann mit meinem Bruder dahingefahren und dann stand der da mit seinem Zettel. Ja, und dann hat der abgehakt: ‚Ach, da sind sie ja.‘ Das war gut. Am Anfang musste man da noch irgendwelche Zettel ausfüllen, teilweise mit persönlichen Daten und die Telefonnummern angeben, falls mal irgendwas sein sollte, dass man telefonisch zu erreichen ist oder so. Dann hat sich das langsam wieder ein bisschen normalisiert. Man muss sagen, heute können die Leute wieder hingehen, wenn sie wollen. Aber es ist natürlich nicht so wie vorher – gar nichts. Und speziell nicht bei uns. Auf den Rennbahnen hat die Bewirtung auf den Tribünen immer eine große Rolle gespielt. Also es gab was zu essen und das sind so Dinge, die einfach nicht wieder so angelaufen sind, wie wir das vorher hatten.
Im Trabrennsport ist das fast lebensbedrohlich. Es ist ganz klar, wenn man das heute sieht, ist im Turniersport ja nicht so furchtbar viel anders. Diese ländlichen Turniere, das kriegen wir ja auch immer mit, die fallen reihenweise aus. Jetzt habe ich dieser Tage im Internet folgendes gelesen. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung sitzt ja in Warendorf und die haben jetzt für Pferde, weil viele Pferde erkrankt waren, eine Pflichtimpfung für Herpes. Früher hat man nie so viel darum gegeben, aber das vermehrt sich heute wohl sehr schnell und ist sehr ansteckend oder so und dann hat man Pflichtimpfung für diese Pferde, die alle am Sport teilnehmen würden, installiert. Ja, und jetzt ist man dabei und überlegt schon wieder, ob man das abschafft. Denn die EU hat es bisher nicht übernommen und weil so viele Leute darüber geklagt haben, dass einfach die Kosten für diese kleinen Veranstalter viel zu groß werden. Die können damit nicht leben. Das heißt, die haben eine Reithalle, da sind Pferde stationiert, die da mehr oder weniger den Veranstalter unterhalten, auch indem sie teilnehmen, Sponsoren ranschaffen usw. Und das sind alles Dinge, die heute teilweise dann weggefallen sind.
Im Grunde ist es so, dass in Deutschland die Zucht sehr zurückgegangen ist, während in anderen Ländern, speziell Frankreich, Schweden usw. da ist es unheimlich, wie der Sport und auch eben die Zucht da aufgeblüht sind. Und wenn man alleine die Anzahl der Pferde sieht, also wie viele Pferde es in Frankreich gibt, die nicht nur die im Sport sind, sondern auch in der Zucht, die haben 6000-8000 Fohlen im Jahr und da ist auch aufgrund der enormen Rennpreise die, die in Frankreich haben auch noch ein Zuwachs zu erwarten, während bei uns das im Gegenteil eher runtergeht.
Eine Renaissance des Trabrennsports ist schwer zu sagen. Ich habe letzte Mal gesagt, dass wir das bestimmt nicht mehr erleben werden. Entscheidend ist bei uns, dass sich Menschen engagieren, die auch bereit sind, Geld in den Sport zu investieren. Und das ist, das sage ich mal, was bei uns zurzeit absolut fehlt. Wir haben teilweise sehr gut betuchte Leute wie zum Beispiel Tchibo oder Herrn Herz, die sich engagieren, aber die sich untereinander nicht so gut verstehen. Und deshalb macht jeder sein eigenes Süppchen und das ist dann schwer.
Gerade im Bereich der Zucht. Dadurch, dass also so viele ausländische Pferde gekauft werden, egal ob aus Schweden oder aus Frankreich. Aber das sind die beiden Hauptländer, aus denen wir Pferde bekommen. Und durch diese PMÜ, die natürlich bei uns die Trabrennen auch fördert, haben wir jetzt teilweise sogar Franzosenrennen, also Rennen, die schreibt der Rennverein aus, in der nur französische Pferde startberechtigt sind. Und es sind jetzt in den letzten Jahren sehr, sehr viel französische und auch schwedische Pferde nach Deutschland importiert worden. Leider muss man ja sagen, sind das meistens minderwertige Pferde, die dann unseren Sport hier mit auffüllen und betreiben. In dem Sinne für den Trabersport und die Traberzucht oder so was, da sehe ich im Moment keinen Luftzug nach oben.“