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Coşkun Taş

Coşkun Taş

1935-2024
Erster türkischer Vertragsfußballer in der Bundesrepublik Deutschland

Coşkun Taş war 1959 der erste türkische Vertragsfußballer in der Bundesrepublik. Zwei Jahre stürmte der WM-Teilnehmer von 1954 für den 1. FC Köln. Am Dom “bliev hä zo Huss” – und erhielt 2013 den Landesverdienstorden für seine Integrationsarbeit im Fußballsport.

Kurzbiografie

  • Geboren 1935 in Aydın (Türkei)
  • Studium der Betriebswirtschaft in Istanbul
  • Bis 1951 Aydın Spor Külübü
  • 1951-1959 Beşiktaş JK Istanbul
  • 1959-1961 1.FC Köln
  • 1960 Bundesdeutscher Fußball-Meister
  • 1961-1962 Bonner FV 1901 e. V.
  • 1961-1962 Fußball-Lehrer-Lehrgangs unter Hennes Weisweiler – Deutsche Sporthochschule Köln
  • 1962-1993 Arbeit als Systemanalytiker bei den Ford-Werken in Köln
  • Ab 1962 Trainer der Betriebsmannschaft FC Ford Köln und weitere Trainertätigkeiten im Amateurbereich
  • 1974 Gründung von Yurdumspor Köln
  • Ausländerbeauftragter des Fußballverbandes Mittelrhein
  • 1985-2004 Mitglied der Schiedsrichterspruchkammer des Fußballkreises Köln
  • 2013 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen

Interview-Ausschnitte

… erste Einsätze in der türkischen Nationalmannschaft und die WM 1954

„1953 wurde ich das erste Mal Nationalspieler als Linksaußen gegen Griechenland. Aber ich hatte Pech. In der 30. Minute bin ich losgelaufen und plötzlich bekam ich einen Schlag am Oberschenkel. Meine Bänder wurden in Mitleidenschaft gezogen. Dann musste ich das Spielfeld verlassen und konnte nicht mehr weiterspielen. Damals gab es ja noch keine Spielerwechsel. Dann habe ich die Mannschaft mit zehn Mann auf dem Platz gelassen, das war schlimm.
1953 kam unser Trainer zu mir und sagte mir, dass ich dafür verpflichtet bin, um an der zweiten A-Jugend Europameisterschaft in Brüssel teilzunehmen. Der Trainer kam zu mir und sagte: ‚Du bist mein Mannschaftskapitän, aber sieh zu, dass du 18 wirst.‘ – Damals war ich schon 19 Jahre alt.
Dann habe ich meinem Vater geschrieben, denn das Telefon funktionierte damals noch nicht so gut.
Ich habe gefragt: ‚Vater, was mache ich denn jetzt?‘ Dann hat mein Vater den Prozess gestartet. Nach zwei Monaten hatte ich einen Termin in Aydın bekommen. Der Staatsanwalt, der Richter und die Zeugen, alle wussten genau Bescheid – irgendwas haben die gemacht, am Ende bin ich 18 geworden. So etwas war nur in der Türkei möglich.
Dann sind wir nach Brüssel gefahren. Wir hatten damals einen sehr bekannten Trainer, er war vorher unser Torwart. Es war meine erste Europareise. Wir sind abgeflogen von Istanbul über Athen, dann an die Stiefelspitze in Italien. Dann nach Genf, von Genf nach Zürich und von dort nach Brüssel.
Damals sind wir dritter geworden. Gegen Ungarn haben wir verloren, so durften wir nicht am Endspiel teilnehmen. Gegen Spanien haben wir gewonnen und sind dann dritter geworden.
Ein Jahr später bin ich in den Kader der A-Nationalmannschaft gewählt worden.
Dann haben wir 1954 an der Weltmeisterschaft in der Schweiz teilgenommen. Aber davor haben wir in Istanbul gegen Spanien gewonnen. In Rom hatten wir ein interessantes Spiel gegen Italien. Es war 2:2, dann wurde ausgelost und wir haben die Auslosung gewonnen. Darum durften wir an der Weltmeisterschaft teilnehmen, damals war ich 20 Jahre alt.
Bei der WM habe ich die ersten zwei Spiele nicht mitgespielt. Meinen Einsatz hatte ich beim 2:7 gegen Deutschland im Grasshopper-Stadion in Zürich. Ich habe gegen Fritz Laband gespielt, ich hätte beinahe auch ein Tor geschossen, aber Toni Turek hat den Schuss gehalten. Dort habe ich Fritz Walter und Hans Schäfer kennengelernt. Persönlichkeiten wie Max Morlock waren natürlich große Spieler für uns damals.
Dann habe ich mein Studium beendet und weiter Fußball gespielt. Ich habe mit dem Fußball auch weitere Reisen nach Europa gemacht. Ich habe 1958 in der Militär-Nationalmannschaft gespielt. Wir sind nach Holland gereist und haben in Paris im Parc des Princes gespielt.
Bevor ich nach Deutschland kam, war ich etwa zwölf Mal in Europa – Europa war mir nicht fremd.“

… deutsches Liedgut beim Abendessen der Familie Taş

„Mein Vater war von 1913 bis 1919 in Deutschland. Das damalige Deutsche Reich hatte 3000 türkische Jugendliche nach Deutschland eingeladen, um sie auszubilden. Natürlich hatte mein Vater sich dann gemeldet. Diese Jugendlichen sind dann nach Deutschland gekommen und wurden in mehreren Fabriken und Landschaftsverbänden verteilt.
Mein Vater hatte dann das Glück, nach Mülheim an der Ruhr zu kommen. Dort hatte er verlässlich in einer Fabrik an einer Drehbank gearbeitet, bis ihm ein Stück Stahl in das linke Auge geflogen ist. Das Auge ist dann ausgelaufen.
Als er zurück nach Istanbul kam, konnte er gebrochen Deutsch sprechen. Dort hatte er dann meine Mutter kennengelernt. Als wir dann mit der Familie in Aydın lebten, sang mein Vater jeden Abend deutsche Lieder – er hatte gerne beim Essen Raki getrunken und dann fing er an, deutsche Lieder zu singen.
So haben wir uns schon früh Deutsches leben eingeprägt. Ich wusste in der Volksschule schon damals alle deutschen Städte. Ich habe damals alles gelesen. Denn hatte ich natürlich immer vor, irgendwann nach Deutschland zu fahren.“

… den Fußball-Lehrer-Lehrgang bei Hennes Weisweiler

„Ich habe mich für den Lehrgang gemeldet und Hennes Weisweiler hat uns dann mit aufgenommen und ein bisschen trainiert, um uns persönlich kennenzulernen, das war ja damals nicht so strukturiert. Mit einem Training, hatte dann der Weisweiler gewählt, wen er teilnehmen lässt. Diejenigen konnten dann das Studium anfangen. Es ging ihm um Ballfertigkeit und so weiter.
Hennes Weisweiler kannte mich ja sowieso. Er kannte mich seit 1960, wir haben ja gegen Victoria Köln gespielt.
Dann habe ich angefangen an der Deutschen Sporthochschule, gewohnt habe ich im Heim sechs. Heim sechs war ganz hinten da wo der riesige Sportplatz war. Da haben wir unter anderem mit Günther Glomb von Nürnberg und Horst Hülß die Ausbildung gemacht. Wir waren zu elft oder zwölft, dann kamen noch ein paar Studenten und wir waren dann so 16 oder 17 Teilnehmer.
Hennes Weisweiler war ein richtiger Kölscher, ich habe ihn sehr gut in Erinnerung, von ihm habe ich sehr viel gelernt.
Wir haben dann eine Mannschaft gegründet und haben auch Vorlesungen auf den Wiesen gemacht. Einer war dann draußen und machte den Spielbeobachter. Der musste darauf achten, wer was gemacht hat und welche taktischen Fehler begangen wurden.
Am nächsten Tag gab es dann Kritik.
Carl Diem war auch manchmal da, er nahm uns mit in sein Zimmer und wir mussten Sportgeschichte lernen. Er hat mit mich gefragt, wie der türkische Fußball organisiert ist – er kannte die Türkei sehr gut.
Ansonsten mussten wir in Sportphysiologie, Massage, Verletzungen und so weiter Prüfungen bestehen. Ich habe in meinem Leben natürlich viel über die Anatomie eines Menschen gelesen. Aber am besten habe ich darüber während einer Exkursion im Gerichtlich-Medizinischen-Institut gelernt. Da war eine Dame, sie war 57 Jahre alt und man wusste nicht, wieso sie gestorben ist. Der damalige Dozent hat uns dann alles erklärt – alles. Der Kopf war abgesägt, er hat das Gehirn in die Hand genommen und es uns im Detail erklärt. Was ich da gelernt habe, das vergesse ich nie.
Bei der Abschlussprüfung waren der Helmut Schön und Hennes Weisweiler, die anderen Prüfungen waren schriftlich. Ich habe mit ‚Gut‘ bestanden. Wir mussten ein 30-seitiges Buch zum Thema Taktik schreiben. Bringen sie mal jemandem bei, ein Buch zu schreiben, der gerade seit zwei Jahren Deutsch spricht. Meine Frau hat mir dann geholfen, sie hat etwas

… Anfänge im Bereich Integration durch Sport

„Ich hatte keinen Trainerjob mehr. Ich arbeitete bei Ford.
Damals gab es einen türkischen Verein, im Namen der Türk Danış. Das ist eine SPD-nahe Gesellschaft, die von der Arbeiterwohlfahrt gegründet worden ist. Dort gab es einen türkischen Mitarbeiter.
Der hat die türkischen Jugendliche gesammelt und einen Fußballverein gegründet, im Namen der Türk Danış, unterstütz von der Arbeiterwohlfahrt. Er kam zu mir und sagte: ‚Du hast keinen Trainerjob, komm und hilf mir. Ich bin ganz alleine. Hier kannst du ein bisschen mithelfen.‘
Da bin ich dann integriert worden. Es gefiel mir mit den Jugendlichen mein Türkisch zu verbessern, es wurde nämlich sehr in Mitleidenschaft gezogen. So konnte ich dann meine türkische Umgangssprache verbessern. Ich habe mit den Jungs sehr viel Freude gehabt.
Bis dahin hatte ich ja gar keine Ahnung, welche Schwierigkeiten die hatten. Und dann kam irgendein Angebot, dass wir auch auf der Landesebene mitwirken sollten.
Durch meinen Freund bei der Arbeiterwohlfahrt sind wir Mitglied in der Kommission Sport für ausländische Mitbürger in Köln geworden. Wir haben sehr oft zusammen getagt, was wir tun könnten für die Integration der Jugendlichen durch Sport. Das war auch unser Ziel.
Dann kam der Landessportbund, die haben auch gesagt: ‚Coşkun kannst du auch mitwirken?‘ Da bin ich sehr oft nach Westfalen und Umgebung gefahren. Dort habe ich mit türkischen Jugendlichen trainiert, mit denen gesprochen und meine Erfahrungen geteilt, was sie tun müssten, um akzeptiert und integriert zu werden. Da habe ich sehr viel mitgewirkt.
Und dann ging es natürlich weiter mit der türkischen Mannschaft. Denn die Arbeiterwohlfahrt hat der Unterstützung zurückgezogen. Wir haben einen eigenen Verein gegründet – Yurdumspor Köln. Mit Yurdumspor sind wir dann bis in die Oberliga aufgestiegen. Es waren ein paar Jugendliche, die da mitgewirkt haben. Ich habe sehr viele intelligente türkische Jugendliche kennengelernt. Einer davon arbeitet bei der türkischen Botschaft und ist Inspektor geworden, ein anderer hat ein Geschäft eröffnet.“

… den Niedergang von Yurdumspor und sein Verständnis als Deutscher

„In der B-Klasse und Kreisliga-A ging es an und für sich noch mit den türkischen Jungs danach nicht mehr. Dann kamen natürlich fertig ausgebildete Spieler dazu. Dann musste man etwas Geld sammeln.
Wir hatten eine Mitgliederzahl von maximal 60 oder 70. Ein großer Teil von denen verdiente nicht mal Geld. Die haben uns dann geholfen, ein paar Investoren zu finden. Aber es ist eine sehr schwierige Sache, eine ausländische Mannschaft mit einem geringen Einkommen über Wasser zu halten.
Ein Junge, der lange gespielt hat und später ein gutes Geschäft hatte, hat später dann den Vorsitz übernommen und sehr viel Geld investiert. Irgendwann ging es aber nicht mehr. In der Oberliga war dann Schluss. Wir hatten dann fünf, sechs türkische Spieler, alle anderen waren Deutsche und Italiener und so weiter. Es ging aber nicht mehr. Das Geld reichte nicht und der Verein Yurdumspor musste Konkurs anmelden.
Ein Verein, der nicht ortsgebunden ist und wenige Einnahmen hat, der kann nicht existieren. Das habe ich meinem ersten Vorsitzenden ständig gesagt.
Meine Idee war es ehrlichgesagt, in der Kreisliga-A zu bleiben und die Mitgliederzahl zu vergrößern, mit dem Ziel, eine Gesellschaft zu sein mit Frauen und Jugendlichen zusammen. Das wurde auch einige Zeit in der Kreisliga-A mitverfolgt, nach dem Spiel zusammensitzen und unsere Kultur weiterentwickeln. Da waren ja in Deutschland geborene Mädchen und Jungen, die aber nur deutsch sprachen und zum Teil türkisch. Aber man muss eine Gesellschaft bilden, die voll integriert ist, die auch alle Vorteile und Nachteile in Deutschland akzeptieren kann. So eine Gesellschaft, das war unser Ziel. Meine Freunde haben auch dieses Ziel verfolgt.
Aber in der Amateur-Oberliga kann man so einen Verein nicht existieren lassen. Durch die Insolvenz war die ganze Idee ist futsch. Dann habe ich mich zurückgezogen. Ich habe meine Idee nicht so weit durchgesetzt. Es ist an und für sich sehr schade.
Ohne irgendwie religiös gebunden sein – ich bin kein religiöser Mensch. Ich akzeptiere sowieso nicht, was in der Türkei los ist. Ich habe noch nie eine Moschee besucht. Meine Idee war es, mit diesen voll integrierten Menschen ab und zu zusammen zu sein und türkisch zu sprechen. Jeder geht sowieso seinen Weg, aber man muss ja ab und an zusammen sein und sich über die Heimat Gedanken machen, das war meine Idee.
 Ich habe wenig türkische Freunde in Köln, in meiner damaligen Zeit haben wir bei Ford einen Ingenieur gehabt und ab und zu haben wir uns getroffen. Ein bisschen über Ford gesprochen, über die Autoindustrie gesprochen, von unserem Leben gesprochen. Das war jeden Monat vielleicht einmal. Ansonsten habe ich wenig türkische Freunde.
Ich kann sowieso nicht mitwirken. Ich bin voll und ganz Deutsch, aber im Grunde genommen bin ich Türke. Wenn ich die Musik höre, dann werde ich sensibel. Auf der anderen Seite lebe ich seit über 60 Jahren in Deutschland. Ich war 24 Jahre alt, als ich nach Deutschland kam. Ich habe zwei Drittel meines Lebens in Deutschland verbracht – ich bin Deutscher.

Heute gibt es ja so viele Menschen mit ausländischem Ursprung, die in Deutschland Fußball spielen. Damals gab es sehr wenige, ich war in Köln der einzige Ausländer. Egal ob Türke oder woanders her, die hätten mich auch akzeptiert – ich spielte ja Fußball.
Aber später, ab 1965/66 da kamen sehr viele Leute. Die Männer haben Arbeit gefunden. Aber als die Frauen kamen – mit Schleier und so weiter. Die Gedanken und Meinungen in der deutschen Bevölkerung haben sich dann plötzlich geändert.
Aber man muss es auch von der anderen Seite sehen. Die Leute sind aus anatolischen Dörfern gekommen. Die mussten, was Modernisierung betrifft, 50 Jahre überspringen. Die konnten nicht einmal lesen, das waren Analphabeten. Der Ehemann hat gesagt: ‚Ich bin ganz alleine hier, komm doch mal kochen und Kinder machen.‘ Und am Ende sind es die Kinder, die jetzt zum Teil darunter leiden.“

Kontakt und Anreise nach Köln

Arbeit bei Ford in Köln

Enttäuschung um das Bundesdeutsche Endspiel 1960

Im Dienst des Fußball-Verbands Mittelrhein

Ablehnung als Schiedsrichterobmann


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: