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Walther Kaschlun

Walther Kaschlun

*1935
Ehrenvorsitzender des Nordrhein-Westfälischen Ruder-Verbandes

Ob als rudernder Schülermeister, als Vereins- und Verbandskapitän oder als treibende Kraft des “Wasserwanderweges Ruhr” – Walther Kaschlun hat die Riemen des hiesigen Rudersports nachhaltig bewegt, seit er sich 1951 der Riege des Essener Turn- und Fechtklubs anschloss.

Kurzbiografie

  • Geboren 1935 in Essen
  • Seit 1951 Mitglied der Ruderriege des ETuF e.V.
  • Versicherungskaufmann
  • 1970 – 1974 Regattaleiter der Hügelregatten auf dem Baldeneysee
  • Seit 1971 Inhaber der väterlichen Versicherungsagentur
  • 1975-1991 Vorsitzender des Nordrhein-Westfälischen Ruderverbandes e.V.
  • 1983-1992 Mitglied des Vorstandes der Sporthilfe Nordrhein-Westfalen
  • 1985-1993 Mitglied des Präsidiums des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen
  • 1988 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
  • 1992-1997 Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes e.V.
  • Seit 1993 Ehrenmitglied des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen
  • Ehrenvorsitzender des Nordrhein-Westfälischen Ruderverbandes sowie Ehrenmitglied der LSB NRW und des DRV
  • 2011 Verdienstorden des Landes NRW

Walther Kaschlun über …

… Kindheit und Schulzeit in Essen

“Sie müssen bedenken, es war sechs Jahre nach dem Krieg.  Viele Sportstätten waren zerstört, und Sport war überhaupt nur sehr eingeschränkt möglich. Man konnte noch auf der Straße Völkerball oder auch Schlagball spielen. Das geht heute generell nicht mehr.

Auch der Schulsport war eingeschränkt. Das Helmholtz-Gymnasium – im Kriege zerstört – musste in das Gebäude der benachbarten Maria-Waechtler-Schule ausweichen. Dadurch gab es für beide Schulen wöchentlich wechselweise vormittags/nachmittags Unterricht. Die Maria-Waechtler-Schule hatte nur eine kleine Turnhalle, so dass der Sportunterricht vor allem aus Geräteturnen bestand. Daran haben wir allerdings nicht viel Spaß gehabt. Ich konnte zwar am Reck den Aufschwung und die Fechterflanke, aber das war alles nicht so das Richtige für uns, um ein Sportgefühl zu entwickeln.

Anders im Rudern! Durch unseren Sportlehrer wurden mein Zwillingsbruder Gunther und ich als Schüler des Helmholtz-Gymnasiums im Herbst 1951 für den Rudersport interessiert. Wir wurden in der Jugendabteilung der Ruderriege des ETUF betreut, denn am zerstörten Bootshaus unserer (heute noch bestehenden!) Schülerruderriege war damals noch kein Training möglich. Zunächst hat uns der angesehene Rudertrainer Gustav Gehrmann für eine Jugendmannschaft ausgesucht, und der Zweier-Olympiasieger Gerhard Gustmann wurde unser Trainer. Der ETUF war 1952 mit drei Jugendachtern auf Regatten vertreten. Auf der nationalen Jugendmeisterschaft (damals Bestenkämpfe genannt) belegten diese Mannschaften zwei 2. Plätze und gingen in einem Rennen sogar als Sieger hervor. “

… (Kraft-) Training in den 1950er-Jahren und Trennung von seinem Bruder

“Wir trainierten in erster Linie im Boot auf dem Wasser,  soweit das Wetter es im Winter erlaubte. Daneben standen Lauf- und Krafttraining in der Halle auf dem Programm. Ich kann mich an einen Abend erinnern, dass wir im ETUF 30 bis 40 Athleten in der Sporthalle waren. Wir haben auf Anleitung des Trainers Liegestütze gemacht, bis wir nicht mehr konnten. Die Einzigen, die mehr als 100 Liegestütze erreicht haben, waren mein Zwillingsbruder und ich; alle anderen konnten schon vorher nicht mehr.  Wir haben uns im Winter zwar intensiv auf die nächste Regattasaison vorbereitet, aber ein gezieltes Training, wie es heute üblich ist, haben wir nicht gemacht.

Ich habe eben von den Jahren 1952 und 1953 gesprochen. Mein Bruder und ich sind ab 1953 getrennte Wege gegangen. Das kam so: Wir waren beide Junioren. Unser Trainer suchte aber für einen Männer-Achter einen guten Steuerbord-Ruderer. Den fand er in  meinem Bruder.  Ich war Backbord-Ruderer und verblieb im Junior-Boot.
Wir haben das gleich gemerkt; ohne meinen Bruder war unser Juniorachter längst nicht mehr so schnell. Mein Bruder hat dann mit seiner neuen Mannschaft im Anfangsjahr große Erfolge gehabt – er war in der Saison 1954 ungeschlagen.  1955 ist er in einem Vierer-Ohne gestartet. Meine Achter-Mannschaft startete inzwischen in der Männer-Klasse, und wir wurden 1955 auf dem Eichkranz Rennen, das sind heute die Deutschen U23-Meisterschaften, drittes Boot von allen deutschen Rudervereinen.“

… Reisen mit Riemen und bedeutende Regattabahnen

„Es gibt in Nordrhein-Westfalen etliche bedeutende Regattaplätze, zum Beispiel hatten die Ruderregatten auf dem Baldeneysee in Essen immer eine herausragende, und meist auch internationale Bedeutung. Egal, ob es Jugendregatten sind oder welche für ausgewachsene Männer waren, hier trafen sich die Besten; ähnlich die Wettkämpfe auf der Wedau in Duisburg mit den Europameisterschaften 1957 und den Weltmeisterschaften 1983. 
Auch Regatten im Süden, etwa in Frankfurt, Mannheim und die in Mainz hatten einen ausgezeichneten Ruf.

1954 wurde unser ETUF-Vierer zu einer großen Regatta in Berlin eingeladen. Da mussten wir mit dem Flugzeug hin. Unser damaliger Trainer Gustmann wollte, dass wir mit unseren eigenen Riemen fahren. Die Riemen, das sind die Ruder. Aber wie konnten wir vier Riemen mit jeweils fast 4 Metern Länge im Flugzeug mitnehmen?
Es kommt immer auf das Personal der jeweiligen Fluggesellschaft an. Die Amerikaner haben gesagt, man müsste das auseinander packen und so weiter, während die Air France auf dem Rückflug meinte: ‚Das machen wir schon.‘ Die haben das wunderbar hinbekommen.

Aber Sie fragten nach bedeutenden Regatten.  Also Essen/Baldeneysee  und Duisburg/Wedau hatten internationales Niveau. Die Regattastrecke in Köln-Fühlingen gab es damals noch nicht. Es gab aber noch etliche allgemeine Regatten und solche für Jugendliche, z.B. in Gelsenkirchen und Dortmund, die beide auf den Hafenkanälen stattfanden, auch die Regatta in Bochum auf der gestauten Ruhr.
Der Zuschauerschnitt ist auch wieder unterschiedlich je nach Regattaplätzen. Da kommt es darauf an, wo und was für Mannschaften starten.
Zu den großen Regatten auf dem Baldeneysee beim ETUF oder auf der Wedau kamen leicht  bis zu 10.000 Zuschauer. Beide Regattastrecken wurden später ausgebaut, bekamen eine aufwändige Kennzeichnung der einzelnen Startbahen, Startanlagen, Zielturm, Plätze für die Boote und nicht zuletzt Tribünen für die Zuschauer.”

… seinen Rückzug aus dem aktiven Rudern und Einstieg in das Funktionärswesen

„Als Ruderer war ich der Meinung, dass viele Funktionäre von den Athleten keine Ahnung hätten. Ich habe immer gesagt, es müsste jemand da sein, der selbst gerudert hat und der einen engeren Kontakt zu den Athleten hat. Nach meinem letzten erfolgreichen Vierer-Rennen 1960 auf der ‘Boosbahn’ in Amsterdam habe ich mit dem Rennrudern aufgehört, um mich auf meine berufliche Tätigkeit zu konzentrieren. Aber ich habe weiterhin gerudert: Meist bin ich morgens schon um sechs Uhr im Skiff über eine Stunde auf dem Baldeneysee gefahren.
Auf der Mitgliederversammlung 1970 der Ruderriege des ETUF erfuhr ich, dass der Regattaleiter zurückgetreten war. So stand man resignierend ohne Regattaleiter da. Auf die Frage: ‚Wer macht das denn?‘ Gab es zunächst betretenes Schweigen. Dann stand Dr. Friedrich-Wilhelm Sidow auf und sagte: Wenn noch einer vom ETUF mitmacht, mach ich das“. Sidow war selbst Bronzemedaillengewinner im Doppelzweier, hatte vorher in Berlin gerudert und war erst seit ein paar Monaten im ETUF. Es war kein Ehrgeiz, sondern die Scham, dass kein anderer bereit war, die mich zum Mitmachen veranlasste. So wurde ich zusammen mit Friedrich-Wilhelm Sidow Regattaleiter.”

… internationale Wettkämpfe auf dem Baldeneysee

„Auf dem Baldeneysee in Essen hatten wir ab 1974 ein Albano-System. Das ist eine durch kleine Bojen vom Start bis zum Ziel gut sichtbare Kennzeichnung jeder Bahn für die Boote. Dies war für eine internationale Regatta sehr wichtig, nachdem sich das System erstmals bei der Olympischen Regatta 1960 auf dem Albaner See bewährt hatte.

Das Albano-System war neben anderen eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass auf dem Baldeneysee in Essen weiterhin viele große internationale Regatten ausgetragen werden konnten. So zum Beispiel am Ende der 70er-Jahre das Match des Seniors, ein Vorläufer der heutigen U23-Weltmeisterschaften. Damals gab es auch noch Internationale Deutsche Meisterschaften. Die wurden abwechselnd auf der Olympiastrecke München und in Duisburg auf der Wedau ausgetragen. Duisburg fiel dann wegen eines Ausbaus der Regattastrecke aus. So wurden die Internationalen Meisterschaften abwechselnd in München und in Essen ausgetragen, eben weil wir das Albano-System hatten.
Zu den großen internationalen Regatten und Meisterschaften kamen neben Mannschaften aus Westeuropa und aus den damaligen sportlich sehr erfolgreichen sozialistischen Ländern auch Mannschaften aus Übersee zum Bespiel: Australien, USA, Kanada und Neuseeland. Wir hatten zeitweise mehr internationale Meldungen und internationale Verbände als die Weltmeisterschaften.

Einmal kam die Tochter eines ETUF Mitglieds aus den USA zurück und erzählte ihrem Vater: „Ich habe in Amerika eine Übertragung der Essener Regatta gesehen!‘  So bedeutend waren die Regatten, die ab 1974 unter der Leitung meines Bruders stattfanden. Viele namhafte Repräsentanten kannten ihn als erfolgreichen internationalen Rennruderer. Der Baldeneysee und Nordrhein-Westfalen waren Treffpunkte der internationalen Ruderelite. Das lief allerdings nicht von allein; es musste sehr viel getan werden, um eine reibungslose Organisation sicherzustellen, Förderer und Zuschauer zu gewinnen, die Mannschaften nach Essen zu bekommen und um all das auch finanzieren zu können.
Ich werde nicht vergessen ein Gespräch mit Wilfried Hofmann, dem Vorsitzenden des Rudersport-Verbandes der DDR auf der Regatta 1988. Wir saßen auf dem Balkon des Regattahauses und unterhielten uns über unsere Ruderverbände diesseits und jenseits der Grenze. Dann kam die Achtermannschaft der DDR aus der Bootshalle mit dem Boot auf den Schultern. Er zeigte auf das Boot: „Wir werden wahrscheinlich auf dieser Regatta den diesjährigen Olympiasieger sehen.“ Wie recht er hatte! Allerdings gewann das Rennen nicht der DDR-Achter, sondern der Deutschland-Achter, der dann auch auf der Olympischen Regatta 1988 in Seoul die Goldmedaille gewann.

Vorkriegsboote beim ETuF

Arbeit im Wassersport- und Umweltausschuss des LSB


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: